Friede zuerst

„Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebet, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.“ Joh 20, 19-23

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Sie kennen den Slogan von Donald Trump „America First“ – „Amerika Zuerst“, der die verängstigten Amerikaner beruhigen sollte, weil der neue Präsident versprochen hat, sich vor allem um sie zu kümmern. Dieser Satz wurde aber in Amerika bereits vor hundert Jahren durch den damaligen Präsidenten Wilson verwendet, um die amerikanische Wirtschaft zu stärken. In der jüngeren Geschichte hat der Slogan auch in der österreichischen Politik Einzug gefunden: „Österreich zuerst“ – einerseits beim Ausländervolksbegehren von Jörg Haider ab Jänner 1992 und dann bei der Bundespräsidentenwahl 1992 von Thomas Klestil, der dadurch seine unparteiische Haltung zum Ausdruck bringen wollte. Seit kurzem gibt es ihn in der neuen Version „Prima gli Italiani“ – „Zuerst Italiener“ von Matteo Salvini – einem fremdenfeindlichen Rechtspopulisten. Mit Ausnahme von Klestil nutzen die politischen Akteure diesen Satz, um die Gesellschaft als gespalten darzustellen und Sündenböcke zu kreieren durch den Vorwurf, dass eine Gruppe für die Unzufriedenheit der anderen verantwortlich ist. In Österreich waren es damals die Ausländer, in Amerika sind das derzeit wir Europäer und in Italien sind es die Flüchtlinge aus den Krisengebieten.

Hat dieses Thema mit Pfingsten etwas zu tun? Natürlich, weil gerade solche Handlungen der Machthaber dieser Welt deutlich machen, wie weit sie vom Heiligen Geist entfernt sind und wie stark sie die Menschen ihrer Länder beeinflussen können. Der Geist Gottes ist immer ein Geist der Einheit, ein Geist, der die Trennung überwindet, nicht weil er sie auslöscht, sondern weil er jeden Menschen in seiner Situation, in seiner Not ernst nimmt und sich ihm zuwendet. Der Geist Gottes ist geschenkt, damit die Trennung, die Vorurteile und dadurch die Konflikte und Kriege überwunden werden. Der Geist Gottes ist geschenkt, damit verschiedene Möglichkeiten und Kräfte, verschiedene Talente und Begabungen im Dienst der Einheit stehen, Spaltungen besiegen und Menschen aller Nationen, Sprachen und Rassen zu einer Familie Gottes machen. Jede und jeder, der meint, „Wir zuerst“, handelt gegen den Geist Gottes, gegen den Willen Jesu, ein Neues Volk Gottes des Friedens und der Gerechtigkeit entstehen zu lassen. „Wir zuerst“ ist ein kollektiver Egoismus, der salonfähig gemacht wurde, der die Armut und die Ängste der Schwächeren in der Gesellschaft benutzt, um einige wenige noch reicher zu machen.

Wie würde dann ein Slogan des Heiligen Geistes heißen? „Friede zuerst“. Denn der Geist Gottes, der als Liebe, Güte, Freude, Sanftmut erfahrbar ist, bewirkt den Frieden. Der Friede Gottes hat nichts mit einem Waffenstillstand zu tun, nichts mit der Müdigkeit nach einem lang andauernden Krieg, sondern mit der Vergebung und Versöhnung, die aus den geheilten Wunden des Auferstandenen fließen. „Friede zuerst“, damit die Angst verschwindet und Menschen aufeinander hin öffnet. „Friede zuerst“ damit wir alle als Boten des Friedens und der Liebe Gottes in der Welt erkannt werden können.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
jeder, der spaltet, der Streit und Krieg provoziert, der Eifersucht und Missgunst schürt, lebt nicht aus dem Geist Gottes. Jeder, der die Talente nur für sich nutzt, der aus Feindschaften der anderen Eigenkapital schlägt, handelt nicht als Freund Gottes und hat die Frohe Botschaft Jesu nicht im Sinn. Denn seine Botschaft bringt Menschen zusammen, öffnet für einander, macht Fremde zu Freunden.

Ich wünsche uns allen, dass wir uns vom Geist Gottes in den Dienst nehmen lassen. Ich wünsche uns, dass man uns an den Früchten des Geistes erkennt, am Aufbau des neuen Volkes, so wie Jesus sich es gewünscht hat. Ich wünsche uns, dass wir mutig und bestimmt als Gesandte Gottes auftreten mit der Botschaft: „Friede zuerst“.

Slawomir Dadas
Pfarrer