Glaube als Motivation

„Jesus kam in seine Heimatstadt; seine Jünger begleiteten ihn. Am Sabbat lehrte er in der Synagoge. Und die vielen Menschen, die ihm zuhörten, staunten und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Wunder, die durch ihn geschehen! Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Brüder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab. Da sagte Jesus zu ihnen: Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie. Und er konnte dort kein Wunder tun; nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie. Und er wunderte sich über ihren Ubglauben. Jesus zog durch die benachbarten Dörfer und lehrte dort.“ Mk 6, 1b-6

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
die meisten von uns haben im Laufe des Lebens schon eine Erfahrung mit einem Produkt-Vertreter einer Firma gemacht. Der früher übliche Verkauf an der Haustüre hat deutlich abgenommen. Wir können uns aber noch an die Zeiten erinnern, als hier und dort nach einem kurzen Gespräch an der Tür der beste Staubsauger oder die besten Geschirtücher der Welt den Besitzer gewechselt haben. Dass dahinter Schulungen stehen, Erkenntnisse über das Verhalten der Kunden und ganze Verkaufsstrategien, ist verständlich – denn nur so kommt man zum Erfolg. Einige von uns fühlten sich von solchen Vertretern genervt, den anderen wiederum hat die direkte Beratung und oft die Begeisterung der Verkäufer sehr gut gefallen. Ich frage mich manchmal, was die Motivation solcher Menschen ist, an hunderten Türen zu läuten, um ein einziges Produkt zu verkaufen. Ist es die Geldnot, die versprochene Provision oder die Überzeugung von dem angepriesenen Produkt und der Wunsch nach einem direkten Kontakt mit dem Kunden?

Genau die gleichen Fragen stelle ich mir im Zusammenhang mit den heutigen Lesungen, bei denen es um die Sendung Gottes und um die Widrigkeiten geht, mit denen die Gesandten zu kämpfen hatten. Ob der Prophet Ezechiel, der Apostel Paulus oder Jesus selbst – sie alle stoßen bei ihrem Dienst auf taube Ohren und erfahren Ablehnung. Der Paulus, könnte man sagen, nimmt es sportlich. Seine Ängste, Nöte und sogar die Verfolgung, die er im Zusammenhang mit dem Evangelium erlebt, bewahren ihn vor Hochmut und Selbstzufriedenheit. Der nicht immer eingetretene Erfolg macht ihm bewusst, dass der Glaube nicht machbar, dass er nicht an die besten Verkaufsstrategien gebunden, sondern immer auch ein Geschenk Gottes ist, und ein offenes Gegenüber braucht, das ihn auch annehmen kann. So sind die Misserfolge des Apostels eine heilsame Erfahrung und eine Schule des Vertrauens, dass Gott bereits das Bemühen sieht und gut heißt und nicht nur die sichtbaren, greifbaren Erfolge.

Die Ablehnung in seiner Heimat nimmt Jesus mit Verwunderung zur Kenntnis. Vielleicht geht er traurig weg, weil ihm bewusst ist, auf welche Gnaden seine Stadt verzichtet hat. Aber weil die Menschen nicht imstande waren, in seinem Wirken mitten im Leben Gott zu erkennen, kann er dort nicht viele Zeichen Gottes setzen. Jesus lässt sich aber nicht entmutigen. Er geht weiter zu den benachbarten Dörfern, zu den Menschen, die in ihm Gott sehen und annehmen konnten.

So stellt sich da wiederum die Frage, die bereits bei den Produktvertretern gestellt wurde: Was ist die Motivation von Jesus, von Paulus, von tausenden Frauen und Männern, die immer wieder diese Haltung annehmen und sich darum bemühen, dass die Menschen von Gott erfahren – auch auf die Gefahr der Ablehnung hin, auch auf die Gefahr der Verfolgung? Ist es der Glaube an den Lohn Gottes, der damit zusammenhängen sollte? Ist das ein religiöser Masochismus, bei dem man Erfüllung findet, wenn man für den Glauben leidet?

Bei Ezechiel, bei Jesus und bei Paulus sind die Motive ganz klar. Es geht um die Sendung, die zu einer Lebenshaltung wurde. Sendung von einem liebenden, heilenden Gott, der die Menschen in seine Gemeinschaft aufnehmen will. Sendung gegen den Schmerz, gegen das Unheil in der Welt, gegen die Ausbeutung und Ausgrenzung. Wenn man sich aber genau auf diese Botschaft einlässt, wenn man sich zum Boten dieser Botschaft macht, dann kommt man mit der Ablehnung, mit Verfolgung automatisch in die Berührung.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
vielleicht haben auch Sie bereits Ablehnung erfahren, wenn Sie mit der Botschaft Jesu jemand erreichen wollten. Vielleicht haben Sie schon aufgegeben, über das eine oder das andere zu reden, weil sie ausgelacht oder benachteiligt wurden. Es gehört zu der Lebenshaltung der Jüngerinnen und Jünger Jesu, immer wieder mit den Grenzen zu leben, die uns bewusst machen, dass wir nur ein Werkzeug und nicht die Macher des Glaubens sind.

Ich wünsche uns allen die Kraft, für die Frohe Botschaft zu leben, sie zu verkünden, in ihrem Namen heilend in der Welt zu wirken. Ich wünsche uns, dass wir uns selbst als Gesandte Gottes betrachten, die in die Welt mehr Heil, mehr Freude, mehr Frieden bringen.

Slawomir Dadas
Pfarrer