Nach einer kurzen „Nachtruhe“ gibt es um 9 Uhr das Frühstück. Ein Geldwechsel ist an diesem Tag nur in den Wechselstuben der rund um die Uhr offenen Supermärkte oder an Bankomaten (was jedoch nicht immer funktioniert) möglich. Für 1 Euro bekommt man etwa 560 Dram. Slawomir hilft etlichen gegen sofortigen Euro-Cash mit seinen Dram aus.
Als erstes geht es dann zu einem oberhalb der Kaskade hochgelegenen Aussichtsplatz, von dem man einen Überblick über die Stadt hat. Mit gut einer Million Einwohnern ist das etwa die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Man sieht von hier aus u. a. unser imposantes Hotel, das Opernhaus und das knapp unterhalb gelegene Haus von Charles Aznavour. Den 5137 m hohen Ararat, den biblischen Berg der Armenier, der sich bereits auf türkischem Boden befindet, kann man von hier aus wegen des starken Dunstes nur im Frühjahr und Herbst sehen. Es hat sicherlich etwas mehr als 30°. Durch die trockene Luft ist die Hitze jedoch gut erträglich. In Anbetracht des zu erwartenden Flüssigkeitsverlustes verordnet Slawomir eine ausreichende Substitution, die einen während des Tages zu einer mindestens 3 maligen Erleichterung zwingen soll. Der gleichzeitige Elektrolytverlust wäre am besten durch das lokale Gerstengetränk zu kompensieren. Wir sehen bei der Abfahrt ins Zentrum auch das Denkmal der „Mutter Armeniens“ im Siegespark. Die riesige Figur, eine Frau mit einem großen Schwert, ein typisches „Kunstwerk“ noch der Sowjetzeit, wurde anstelle einer Stalinplastik errichtet.
Um 12 Uhr haben wir eine Führung durch das interessante historische Museum am Platz der Republik. Leider ist Fotografieren verboten.
Auf der Fahrt zu dem 1957 errichteten Matenadaran, einer Bibliothek mit unschätzbar wertvollen Büchern und Handschriften kommen wir auch an einer großen Büste des russischen Atomphysikers und Friedensnobelpreisträgers Andrej Sacharow vorbei. Oberhalb des langen Stiegenaufganges zum Matenadaran befindet sich eine große Statue des sitzenden heiligen Mesrop Maschtots, des Erfinders des armenischen Alphabets, das anfänglich aus 36 Buchstaben bestand, wozu später noch drei weitere kamen. Zur Linken kniet sein Schüler Koriun, der auch eine Biographie des Gelehrten verfasste, an der rechten Seite ist das Alphabet eingemeißelt. Im Museum wieder ausgiebige Führung.
Wir gehen dann zur Kaskade, wo es eine Pause bis 16 Uhr gibt. Das 100 Meter hohe großartige Bauwerk mit 5 Etagen enthält in seinem Inneren mehrere Ausstellungsräume und kann über Stufen oder auch lange Rolltreppen, die bis 20 Uhr in Betrieb sind, bestiegen werden. Jede Etage ist künstlerisch und gärtnerisch anders gestaltet. Seitlich der Rolltreppen, die durch große Hallen führen, sind verschiedene Objekte ausgestellt, zuletzt Kunstwerke aus Swarovski-Glas. Oberhalb einer Bauruine befindet sich unser Aussichtsplatz vom Vormittag mit einer hohen Stele, die an die Christianisierung Armeniens erinnern soll. Einige von uns lassen sich von der Hitze nicht abschrecken und steigen oder fahren bis oben hinauf. Die anderen bewundern (?) die zahlreichen Plastiken am großen Platz vor der Kaskade, wobei besonders eine sehr üppige liegende Dame und ein riesiger Krieger, bei dem die Muskulatur besonders ausgeprägt gestaltet wurde und für den Krieg eher Nebensächliches betont klein gehalten wurde, die meiste Aufmerksamkeit finden.
Anschließend Auffahrt zur Gedenkstätte für den Genozid im Jahre 1915. Neben einem hohen Basaltobelisken sind hohe Stelen kreisförmig aufgestellt, davor ein von Auslandsarmeniern niedergelegter Kranz. Im Innern brennt eine ewige Flamme, bei der sich alljährlich am 24. April tausende Armenier zur Erinnerung treffen. An der Rückseite der „Mauer des Schweigens“ sind auf Steintafeln die Namen von Personen eingemeißelt, die die Erinnerung an diesen Völkermord für die Weltöffentlichkeit besonders wachhielten, zu lesen. Es sind dies z. B. Papst Benedikt XV. oder der österr. Schriftsteller Franz Werfel, der mit seinem 1933 erschienenen Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ Weltruhm erlangte. Das Abendessen wird in einem Restaurant eingenommen. Nur wenige begeben sich dann ins nahe gelegene Hotel zur Nachtruhe. Die meisten besuchen noch einmal die wunderbar beleuchtete Kaskade, die lange vorwiegend von Jugendlichen erfüllte Fußgängerzone oder ein Restaurant. Man hat den Eindruck, ganz Jerewan würde das Nachtleben bis weit nach Mitternacht genießen. Mit ihren Eltern sind auch noch zahlreiche kleine Kinder unterwegs, die an kleinen kühlenden Wasserfontänen ihr größtes Vergnügen finden.
Reisebericht: Hans und Magdalena Kalchmair Fotos: Slawomir Dadas, Ingrid Scherney