Die armenische Kost scheint Ingredientien zu enthalten, die in der letzten Nacht, und auch später noch, bei einigen zu einer Schubumkehr und ungewollten Beschleunigung der Verdauung geführt haben. Lediglich die Hörschinger, die von der schützenden Wirkung destillierter Getränke voll überzeugt sind, bleiben davon weitgehend verschont. Besonders arg hat es Magdalena erwischt. Familie Malzer tauscht aber großzügig ihren hinsichtlich des essentiellen Biernachschubes strategisch guten Platz in der 2. Reihe des Busses, obwohl Heinz damit riskiert davon abgeschnitten zu werden. Durch eine von Sitzreihe zu Sitzreihe eingerichtete Stafette kann dieses Problem jedoch mühelos beherrscht werden.
Heute geht es über die Selimpassstraße nach Norden auf ein Hochplateau mit Almen und Kühen, die ebenfalls gerne die Straße für sich in Anspruch nehmen, zur besterhaltenen Karawanserei Armeniens aus dem Jahre 1332. Ehemals verlief hier die Seidenstraße. In dem riesigen Mittelschiff waren die Tiere der reisenden Kaufleute untergebracht worden, während sie selber in den beiden deutlich kleineren Seitenschiffen Unterschlupf gefunden hatten. Ein fahrender Händler verteilt Kostproben von Ararat-Cognak (das große Firmengebäude hatten wir bereits in Jerewan gesehen), Maulbeerschnaps und getrocknete Früchten. Er macht damit gute Geschäfte.
Entlang des Sevansees geht es dann zur Halbinsel von Noratus, wo wir den großen Friedhof, der die größte Anzahl an alten und auch neuen Kreuzsteinen enthält, besichtigen. Ein paar ältere Frauen bieten Strickwaren aus Schafwolle an. Leider ist es heute leicht regnerisch und deutlich kühler, sodass es niemanden reizt, ein Bad in dem an sich warmen Wasser des Sevansees, des größten Sees Armeniens, zu nehmen. Er liegt auf 1900 m Seehöhe und ist 78 km lang. Durch zu große Wasserentnahme für Bewässerung und Energiegewinnung ist sein Wasserspiegel in den letzten Jahrzehnten um beinahe 20 m abgesunken. (1936 Bau eines Kraftwerkes am einzigen Abfluss) Durch zusätzliche Einleitung eines Flusses über einen langen Tunnel gelang es, ihn wieder um ein paar Zentimeter anzuheben, was jedoch bei den Besitzern am inzwischen zum Teil verbauten Ufer auf großen Widerstand stößt.
Mittagessen gibt es in einem am See gelegenen Restaurant, zu dem man durch einen a´ la Musikantenstadl gestalteten Hof gelangt.
Es geht dann zum Sevankloster (Sevanwank), das auf einer ehemaligen Insel, durch das Absinken des Wasserspiegels nun aber auf einer Halbinsel liegt. Es ist überzahlreiche Stufen zu erreichen und besteht u. a. aus der Apostelkirche aus dem Jahr 874 und der größeren etwas jüngeren Muttergotteskirche. Diese enthält den berühmtesten Kreuzstein der Anlage mit der Darstellung der Kreuzigung. Beide Kirchen sind Kreuzkuppelkirchen mit 3 Konchen (Kleeblattchor). Wir erreichen den etwas nördlich des Sees gelegenen Kurort Dilijan über die Sevanpassstraße (heute gut ausgebaut durch die Großzügigkeit eines kanadischen Auslandsarmeniers), die durch einen Tunnel wesentlich abgekürzt wird.
Wir nächtigen, abweichend vom Reiseprogramm, im Hotel „Dilijan“ Resort. Das aus der Sowjetära stammende, aber restaurierte, große Hotel ist halb auf einer Anhöhe mitten im Wald gelegen, und enthält große salonartige Zimmer. Früher stiegen hier nicht nur die Mitglieder der Nomenklatura, sondern auch berühmte Musiker wie Dmitri Schostakowitsch und Benjamin Britten, für die man eigene Künstlerhäuschen errichtete, ab. Heute dürfen wir da sein und erfreuen uns beim Abendessen an einem großartigen Nachtischbuffet.
Reisebereicht: Hans und Magdalena Kalchmair Fotos: Slawomir Dadas, Ingrid Scherney