Gehen oder doch bleiben?

Liebe Schwestern, liebe Brüder!
Da gab es eine gewaltige Krise in der Jesusbewegung. Direkt tröstlich, dass das nicht eine Erfindung unserer Zeit ist, in der Krisen allgegenwärtig sind. Die Klimakrise, die Krise im nahen Osten, die Krise der Autoindustrie, die Handelskrise und, natürlich über allem die Flüchtlingskrise. Ohne Krisen gingen den Staatenlenkern die Regierungsthemen aus. Aber während unsere aktuellen Krisen oft hausgemacht oder gar nur herbeigeredet sind, ging es damals um mehr. Viele Anhängerinnen und Anhänger dieses Jesus haben vertraut, dass er die Rettung aus der Misere sein könnte, der sie herausführt und befreit aus ihren traurigen und demütigenden Lebensumständen, aus der Armut, aus der Erniedrigung durch die Römer. Aber alles wollten sie sich nicht bieten lassen. Dieses Reden vom Brot des Lebens, das er selber wäre und von dem man essen müsse, davon, dass er vom Himmel herabgestiegen ist und wieder dorthin zurückkehren werde – das war zuviel.

Jesus reagiert ganz anders, als wir es aus unserer Erfahrung vermuten würden. Er ändert sein Programm nicht, er macht keine Zugeständnisse, er wirbt nicht um Stimmen. Und er ist nicht böse auf die, die gehen sondern er stellt es den Verbliebenen ausdrücklich frei: wollt auch ihr gehen?

Von Krise wird auch in unserer Kirche viel gesprochen. Priestermangel, Missbrauchsskandale, Kirchenaustritte. Und unter den Verbliebenen kämpfen auch viele mit Unverständnis über diverse Entscheidungen.

Ich bin sicher, etliche unter ihnen waren befremdet über die Lesung aus dem Brief an die Epheser: „die Frau hat sich dem Mann unterzuordnen“. Wenn man allerdings bedenkt, dass in der Zeit der Entstehung dieser Schrift die Frauen mehr oder weniger absolutes Eigentum des Ehemannes waren, und wenn man sich ansieht, was in dieser Stelle den Männern alles aufgetragen wird zum Verhältnis zu ihren Frauen, dann kann von Frauenfeindlichkeit keine Rede mehr sein. Im Gegenteil, abgesehen von der Unterordnung sollte jeder Mann von heute einmal diesen Text verinnerlichen. Er ist absolut aktuell.

Wenn aber mit Stellen der Heiligen Schrift wie dieser begründet wird, dass Frauen von Weiheämtern auszuschließen sind, dann – ja, dann haben wir Grund für wieder eine Krise. Ich möchte mich jetzt an die Frauen unter ihnen wenden, und natürlich auch an die vielen Männer, die ähnlich denken. Es ist mir bewusst, dass wir von einer echten Gleichberechtigung noch recht weit entfernt sind und ich gebe zu, dass ich auch ein paar dämliche Machosprüche auf Lager habe, die ich natürlich lustig meine, aber die möglicherweise auch verletzen können.

Ich höre immer wieder von Frauen: warum soll ich noch in einer Kirche bleiben, wo Frauen nur für niedrigere oder auch höhere, aber eben doch nur Hilfsdienste gebraucht werden? Ein Argument, das auch bis in die hohen Kreise der Kirche dringt. Aber die regelmäßig darauf folgenden Verweise der offiziellen Kirche auf die hervorragende Stellung der Jungfrau Maria sind Ausreden, nicht hilfreich und stehen außerdem argumentativ auf sehr schwachen Beinen. Ich habe keine Ahnung, ob sich da bald etwas ändert. Ich fürchte aber, dass ich es nicht mehr erleben werde. Bleibt also tatsächlich nichts übrig als auch zu gehen? Petrus gibt eine Antwort, die auch für uns gilt: wohin sollen wir sonst gehen?.Das heißt: wir haben gesucht, wir haben geprüft und wir haben nichts gefunden, das besser wäre. Nur du, Jesus, hast Worte des ewigen Lebens. Damit hat es Petrus auf den Punkt gebracht.

Ich kann mir gut vorstellen, dass  Petrus sich vor diesem Bekenntnis mit seiner Frau beraten hat.

Rudolf Bittmann
Diakon