Kennen Sie es auch, dieses sonderbare, ja peinliche Gefühl, das einen manchmal überkommt wenn man in einer Aufzugkabine mit einem Fremden zusammen fährt? Ein kurzer Gruß, einer schaut zu Boden, der andere mustert konzentriert die Decke und wenn der erste aussteigt atmen beide heimlich erleichtert auf.
Nicht gerade das, was man unter geglückter Begegnung versteht.
Ganz anders die Begegnung, die im Evangelium geschildert wird. Gut, die zwei Frauen waren sich wohl nicht ganz unbekannt, aber so eng waren sie auch wieder nicht. Da war schon die geografische Entfernung zu groß. Und sie waren sehr unterschiedlich. Die eine jung, unerfahren, die andere viel älter mit reicher Lebenserfahrung. Aber da gibt es, ganz anders als es bei uns oft ist, kein Gegeneinander, kein Abwerten, kein Herabsehen. Die Erfahrung der älteren Elisabeth bereichert die junge Maria. Die Lebensenergie und Hoffnung der jungen Maria bereichern Elisabeth.
Der Philosoph Martin Buber hat einmal festgestellt: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“. Damit meint er aber sicher nicht die sterilen und unfruchtbaren Liftkabinenbegegnungen. Gelungene Begegnung ist in jedem Fall ein gegenseitiger Austausch, ist immer auf Augenhöhe, ist Bewegung, ist Geben und Nehmen. In der Begegnung lasse ich mich auf mein Gegenüber ein, ermögliche ich ihr oder ihm ein vertrauensvolles Miteinander. Wahre Begegnung gelingt nur, wenn wir einander ehrliches Interesse entgegenbringen, wenn wir uns offen und ohne Vorurteil gegenüber stehen und wenn wir bereit sind, unter Umständen auch etwas Zeit zu investieren.
Begegnungen können Türen öffnen. Und Türen öffnen macht Begegnungen möglich.
Dieses großherzige und großzügige frei auf den Mitmenschen Zugehen ist nicht immer leicht, ja es ist für uns oft sogar eine Herausforderung. Aber es ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen und wo wir uns nicht hinter der anonymisierenden Tastatur des Smartphones verstecken dürfen. Es ist nun einmal so, dass wir Gott zuerst im Mitmenschen, in der Begegnung mit dem Mitmenschen finden.Egal, wem Sie heute begegnet sind, Sie sind Gott begegnet. Und egal, wem Sie heute noch begegnen werden, Sie begegnen Gott selber.
Es gibt noch eine Tür, die ich Ihnen ans Herz legen möchte: es ist unsere Kirchentür. Wenn Sie die zwischendurch, einfach so unter der Woche, öffnen, sie geht sogar auf Knopfdruck auf, dann haben Sie hier, in der Stille, in der Würde des sakralen Raums eine gute Gelegenheit und perfekte Bedingungen zu einer ganz, ganz wichtigen Begegnung, die wir sonst immer sträflich vernachlässigen. Sie haben Gelegenheit zur Begegnung mit sich selbst.
Und wenn Sie sich darauf geduldig einlassen, dann werden Sie auch da Gott begegnen, dem Gott, der in uns allen steckt, in mir, in dir, in jedem von uns.
Rudolf Bittmann Diakon