Wie fühlen Sie sich? Wie denken Sie über Ihr Leben in dieser Zeit, in der wir eben leben? Haben Sie das Gefühl, dass einigermaßen alles in Ordnung ist, oder glauben Sie, dass früher alles besser war? Hätten Sie gerne vor 100 Jahren gelebt, oder vor 500 Jahren?
Wenn Sie sich ein bisschen für Geschichte interessieren, dann müssen Sie eigentlich zum Schluss kommen, dass es uns nicht so schlecht geht und dass wir in einer Zeit leben dürfen, die als Lebensraum so gut ist wie wahrscheinlich bisher noch nie.
Und trotzdem ist da die Angst. Die Angst, dass unser Wohlstand bedroht ist. Die Angst vor dem rasanten Fortschritt der Technologien, die uns überrollt und überfordert. Dann die Angst vor einem neuen kalten Krieg, die Angst vor dem dauernden Zündeln der kleinen Mächtigen bis hin zu den Atommächtigen. Und dann dazu noch die Angst vor den Fremden. Kaum begründet, aber bewusst und leichtfertig geschürt.
Und da kommt jetzt Jesus mit seinen Ansprüchen.
Behandelt die Menschen so, wie ihr von ihnen behandelt werden wollt. Na schön, das ist viele Jahrhunderte später auch bekennend nichtchristlichen Philosophen eingefallen. Aber es geht ja noch weiter. Gebt einfach, ohne zu erwarten, dass ihr es zurückbekommt – alles andere wäre bloß ein Handel. Liebt einfach, ohne zu erwarten, dass ihr geliebt werdet. Es ist nichts dabei, nur die zu lieben, die einen selber lieben. Und schließlich, als für unsere Ohren fast unanständigen Höhepunkt: liebt eure Feinde. Wie kann Jesus zu diesen geradezu absurd klingenden Forderungen kommen?
Die Lösung finden wir in dem Satz: seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.
Darum geht es und deshalb können wir uns auf die Forderungen Jesu einlassen . Wir werden immer wieder daran scheitern, aber wenn wir an diesen Satz denken werden wir es immer wieder versuchen. Es genügt nicht, so zu handeln wie wir behandelt werden wollen. Nein, viel mehr: Wir sollen so handeln, wie Gott an uns handeln wird. Und nur weil wir wissen, dass Gott so barmherzig zu uns ist, kann es uns möglich werden, selbst unseren Feinden gute Gedanken zu schenken, wenn schon nicht, sie zu lieben.
Die Mittel, die die Poltik zur Zeit gegen unsere Ängste hat, sind Grenzen aufbauen, sich abschotten, niemanden hereinlassen. Alle Fremden und alles Fremde zum Feindbild erklären.
Für die, die diesen Weg nicht als so perfekt ansehen, gibt es den schönen Ausdruck „Gutmenschen“. Das klingt nicht so schlecht, ist aber tatsächlich als hämisches Schimpfwort für alle gemeint, die zu dumm und zu naiv sind, um einzusehen, dass von allem Fremden Gefahr droht. Ist Schimpfwort für alle, die Mängel auch in unserer Gesellschaft sehen, und ist Schimpfwort für alle, die eigentlich keine Grenzen oder gar Mauern rundherum haben möchten.
Letztlich hilft alles nichts und wir müssen uns damit abfinden: wenn wir uns dieses Evangelium zu Herzen nehmen, wenn wir wirklich ernst nehmen,was Jesus verlangt, dann bleibt uns eigentlich nichts anderes übrig als Gutmenschen zu sein.
Rudolf Bittmann Diakon