Mittwoch
Über die Autobahn geht es heute nach Leutschau, ebenfalls eine „Reformationsstadt Europas“, Unesco-Weltkulturerbe, und ehemals bedeutendste Stadt der Karpatendeutschen, die auch Zipser Sachsen genannt werden. Ähnlich den Siebenbürger Sachsen, sind hier allgemein deutsche Zuwanderer, vorwiegend aus dem Rheingebiet und Schlesien, zu verstehen. Die Siedler hatten sich in der ungarischen Region, nachdem im Mongolensturm 1241 die slawische Bevölkerung stark dezimiert worden war, angesiedelt und eine rege Handelstätigkeit betrieben. In Leutschau, dem von den ungar. Königen ein Stapelrecht verliehen worden war, war es der Kupferhandel, der der Stadt und besonders der Familie Thurzo ähnlich den Fuggern in Augsburg zu großem Reichtum verhalf.
Kaum sind wir am Stadtrand dem Bus entstiegen, werden die Frauen bei einem Standel zum Kauf kunstvoller Drahtarbeiten verführt, währendem die Männer im Schatten auf Ruhebänken dem Treiben gelassen zusehen. Wir gehen dann zur Jakobskirche, die mit ihren 18 gotischen, Renaissance- und barocken Altären, Statuen und Wandmalereien zu den Höhepunkten unserer Reise zählt. Seit 2015 trägt sie den Ehrentitel einer Basilica minor. Der gotische Hauptaltar ist mit einer Höhe von 18,62 m der höchste Flügelaltar der Welt. Geschaffen wurde er in der Werkstadt des Meister Paul von Leutschau genannten Künstlers. Durch den Brand des Archivs 1550 kennt man leider nur seinen Vornamen. Ihm werden noch zahlreiche weitere Arbeiten sowohl in dieser als anderen Kirchen der Ostslowakei zugeschrieben. Ein typisches Detail seiner Werke soll die an eine Ohrmuschel denkende Gestaltung von Gewandfalten sein. Großartig sind auch der Corvinus -und der Maria Schnee-Altar.
Der Rundgang über den großen Platz führt uns dann um die Kirche, den großen Glockenturm und das ursprünglich gotische Rathaus, das im Renaissancestil prächtig umgebaut wurde, schöne Arkaden, eine reich gestaltete Dachlandschaft sowie über dem Eingang die Darstellung der fünf Kardinal-Tugenden aufweist. Daneben steht ein als Pranger verwendeter Schandkäfig von 1600. Die Türe steht offen, sodass sich Touristen darinnen fotografieren lassen können. Kirche und Rathaus sind von reich bemalten und schönen Bürgerhäusern umsäumt. In der klassizistischen evangel. Kirche zeigt das Altarbild Jesus, wie er dem Zweifler Petrus am See Genezareth ins Boot hilft.
Nach der Mittagspause geht es zu dem etwas östlich von Leutschau gelegenen Zipser Kapitel, kirchliche Hauptverwaltung der Region mit Bischofsitz. Es besteht aus der von einer Mauer umgebenen romanisch-gotischen Martinskathedrale mit barockem Glockenturm und einer einzigen Straße, von der man einen guten Blick auf die Ruinen der auf einem Hügel erbauten Zipser Burg hat. Leider zwingt uns ein rasch einsetzender Regenschauer, bevor wir die große zweitürmige romanische Westfassade bewundern können, zur Flucht in das Kircheninnere. Neben schönen Altären sind auch in der Zapolya-Kapelle die Grabsteine und Totenschilder dieser ungar. Adelsfamilie, die durch viele Jahre die Burg besaß, bemerkenswert. Nach dem Singen mehrerer Kanons hat der Regen so weit nachgelassen, dass wir zum Bus eilen können.
Nach Mittag erreichen wir mit der großen Stadt Presov (ca. 90.000 Einwohner) unser östlichstes Ziel. Die Pfarrkirche zum hl. Nikolaus, in der gerade die Orgel gestimmt wird, hat schöne barocke Altäre. Interessant ist auch die in Blau gehaltene Kanzel. Vor der Kirche befinden sich auf der zu einem Platz erweiterten Straße zahlreiche prächtig verzierte Bürgerhäuser, z. B. das Rakoczi-Haus, ein Neptunbrunnen und ein Gedenkobelisk für die sowjet. Armee. Um 17 h sind wir wieder im Hotel.
Reisebericht: Magdalena und Hans Kalchmair Fotos: Ingrid Scherney