Liebe Schwestern und liebe Brüder,
jeder Mensch braucht eine Hoffnung.
Diese Grundlage betrifft uns heuer zur Feier der Auferstehung ganz Besonders. Mit der Situation des Corona-Virus im „Alltag“ des persönlichen Lebens und der Gesellschaft sind wir mit vielen Veränderungen und Fragen konfrontiert. Bewusst werden mehr oder weniger auch folgende Gedanken: Was lässt uns glauben, dass der Tod keine Macht mehr über das Leben hat, dass mit dem Tod eines Menschen nicht alles aus und vorbei ist? Was lässt uns an die Auferstehung der Toten glauben und an ein ewiges Leben?
Die Erfahrung, dass da einer lebt, den alle für tot halten, ist die Grunderfahrung von Ostern. Im heutigen Evangelium, ebenso in den anderen Osterevangelien, spürt man förmlich Verblüffung der Jüngerinnen und Jünger. Am Leeren Grab erlangen sie mehr und mehr die Gewissheit, dass Jesus nicht tot sein kann, sondern lebt. Diese Erkenntnis kommt völlig unerwartet, auch wenn Jesus es zu Lebzeiten immer wieder angedeutet hat. Furcht und Skepsis auf der einen Seite, Staunen und Freude auf der anderen – dieser Spannung sind die Jüngerinnen und Jünger Jesu ausgesetzt.
Das klingt vielleicht wie ein Drehbuch für einen guten Kinofilm, aber: Das Evangelium ist genauso wenig Unterhaltung, wie die Auferstehung kein Hobby für Überlebenskünstler ist. Jesus entwischt nicht actionreich und gekonnt dem Tod. Seine Auferstehung ist kein Überlebens-Kunststück. Er stirbt und ist wirklich tot. Er kommt auch nicht einfach so ins irdische Leben zurück. Seine Auferstehung zeigt, dass das Leben noch eine ganz andere Dimension hat als die bloß sichtbare.
Die Evangelien sprechen davon, dass Jesus seinen Freunden „erscheint“. Maria von Magdala, Petrus und die anderen Apostel und die Jünger, die nach Emmaus unterwegs sind – sie alle können Jesus „sehen“. Trotz dieser Zeugnisse finden wir in der frohen Botschaft keine Beschreibung wie die Auferstehung vor sich geht, wie dieses Eingreifen Gottes konkret geschieht. Denn die Auferstehung Jesu liegt ja nicht einfach in menschlichen Vorstellungsbereich, sie weist auf eine weitaus größere Dimension der gesamten Lebenswelt hin. Durch diese Gegebenheit lässt sich die Auferstehung Jesu auch nicht wissenschaftlich beweisen und braucht es ja auch nicht. Denn die Auswirkung und Veränderung durch ein Geschehen Gottes dringt gerade erst dort in den Vordergrund, wo dies konkrete Wirklichkeit wird. Es ist und bleibt die Erfahrung, dass wir geliebte Menschen sind, dass wir selbst der Liebe fähig sind, dass Gott uns liebt und unser Leben will, auch über den Tod hinaus.
Ostern eröffnet uns immer wieder ein ganz neues Blickfeld und baut folglich auf einer unzerstörbaren Hoffnung auf, die auch mein Leben durchdringen kann. Die Botschaft der Auferstehung stellt nicht bloß eine Unterhaltung dar. Jede und jeder von uns kann sich auf diese „Kraft der Verwandlung“ aus der Frohen Botschaft einlassen und somit aus jener unzerstörbaren Hoffnung erstarken. Auch gerade dort, wo im Alltag nicht sofort der erste Schein das Beste ist. Dort wo ich mit einer neuen Herausforderung konfrontiert bin. Ich kann gerade selbst aus dieser Kraft der Auferstehung Jesu zur Botin, zum Boten werden, für Angehörige und Freunde, für die Menschen in den Krisen um uns und in der Welt – und für sich selbst.
Wer sich der Botschaft von Ostern öffnen und ihr vertrauen kann, wird im Leben immer wieder neu aufleuchten. So kann die Hoffnung etwas im Leben ermöglichen, dass Gottes Liebe größer ist als alles Leid der Welt, größer als der Tod. Ostern will uns verändern, auch und besonders heuer in dieser Situation des Corona-Virus. Denn letztlich ruft uns dieses Fest zu: Jeder Mensch braucht eine Hoffnung. Und wenn Sie jemand fragt: „Welche ist ihre?“ Vielleicht kann ich von ganzem Herzen sagen: „Auferstehung!“
Johannes Hofer Kaplan