Verschlossene Türen

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

aus Furcht hatten sie die Türen verschlossen.

So wie wir unsere Türen verschlossen haben – auch aus Furcht.

Ja, natürlich, das ist jetzt eine besondere Situation mit der wir nicht umgehen können. Wir wissen wenig über eine Pandemie. Es ist etwas, das wir nicht beherrschen können. Experten widersprechen sich genau so, wie Regierungen. Es gibt kein Patentrezept. Da wird das sich voneinander Abgrenzen vielleicht seinen guten und wichtigen Sinn haben.

Unsere Türen verschlossen haben wir aber auch schon lange vor der Pandemie. Weit nicht so konsequent und vor allem ohne Einfluss auf unser Leben, dafür umso mehr Einfluss auf das Leben von Hunderttausenden Menschen, die auf der Flucht sind. Und noch vor wenigen Wochen, vor Ausbruch der Pandemie, hat sich unser Österreich, unsere Regierung, strikt geweigert, auch nur ein paar Hundert Kinder oder schwer Erkrankte aus den maßlos überfüllten Flüchtlingslagern Griechenlands zu übernehmen, um diesen paar Menschen eine Überlebenschance zu geben und Griechenland ein klein wenig zu entlasten.

Verschwendet irgend jemand einen Gedanken daran, was passiert – und es gibt zur Zeit keinen erkennbaren Grund, dass das nicht geschieht – wenn die Pandemie in den Flüchtlingslagern in Griechenland, der Türkei, in Syrien, im Libanon und sonst wo ausbricht? Oder in Afrika, wo es in einem Land mit 30 Millionen Einwohnern gerade 30 Beatmungsgeräte gibt? Wo der Ratschlag, sich häufig die Hände mit Seife zu waschen unglaublich zynisch ist – es gibt weder Seife noch Wasser.

Sich einschließen kann helfen bei konkreter Ansteckungsgefahr. Aber davon abgesehen ist sich Einschließen ein Eingeständnis von Ratlosigkeit, von Schwäche und von Versagen.

Damals, bei den Jüngern, war das sich Einschließen letztlich Verrat an Jesus, an seiner Lehre.

Heute ist es die fast hilflose Flucht in Aktionen mit nicht vorhersehbaren Folgen. Dabei wurde schon vor Jahren darauf hingewiesen, wie konkret die Gefahr solcher Pandemien ist. Aber der Glaube an das unbegrenzte Wirtschaftswachstum war und ist viel wichtiger. Investitionen in unbekannte Anlageformen wie Verhinderung von Pandemien sind nicht einträglich genug.

Ganz abgesehen von der aktuellen Gesundheitsbedrohung wäre auch ein grundlegendes Verständnis dafür wichtig, dass es gar keine so hohen Mauern gibt, um Menschen, denen durch Krieg, Hunger, Natur- oder Klimakatastrophen jede Existenzgrundlage genommen wurde, aufzuhalten.

Die Jünger damals waren verzweifelt. Durch die Hinrichtung ihres Anführers wurde ihnen ihre Lebensgrundlage genommen. Alle ihre Hoffnungen, all ihr Zuversicht hatten sie auf ihn und seine Lehre gesetzt.

Und sie waren verzweifelt aus Scham, weil sie nicht stark genug waren, ohne ihn seine Lehre weiter zu tragen.
Und in dieser Situation trat Jesus in ihre Mitte. „Der Friede sei mit euch“ war seine Botschaft, und noch einmal „Der Friede sei mit euch“.
Friede, kein Streit mehr, keine Eifersucht, keine Trauer über Versagen sondern Versöhnung mit dem Mitmenschen und vor allem mit dem eigenen Sein.
Und er holt sie aus ihrer Verzweiflung und Beschämung, er gab ihnen ihre Würde zurück, indem er sie zu Boten, zu Verkündern seiner Lehre macht.

Ostern, das soll auch für uns die Begegnung mit dem Auferstanden sein. Er geht durch verschlossene Türen, Mauern, die wir um uns errichtet haben sind für ihn kein Hindernis. Nur “Ja“ sagen, das müssen wir selber.

Rudolf Bittmann
Diakon

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