„In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn dein Bruder gegen dich sündigt, dann geht und weise ihn unter vier Augen zurecht! Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen. Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei mit dir, damit die ganze Sache durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werde. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde! Hört der aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner. Amen, ich sage euch: Alles was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein. Weiter sage ich euch: Was auch immer zwei von euch auf Erden einmütig erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Mt 18, 15-20
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
haben Sie schon irgendwann im Leben etwas oder jemand bewacht? Vielleicht waren Sie bei der Truppe, die einen Maibaum aufgestellt hat und dem Brauch nach dazu verpflichtet war, ihn einige Tage vor den Dieben zu bewachen. Vielleicht waren Sie einmal als Schiedsrichter tätig, der die Aufgabe hatte, die ausgemachten Regeln zu bewachen? Und ich glaube, dass jede und jeder von uns bereits die Aufgabe übertragen bekommen hat, auf etwas oder jemand aufzupassen, damit nichts passiert, damit Personen oder Sachen unbeschadet eine bestimmte Zeit überstehen. Um eine solche Aufgabe zu erfüllen, braucht es manchmal Mut, dann eine gesunde Selbsteinschätzung, ob ich den Erfordernissen entsprechen kann und auf jeden Fall die Bereitschaft, Konsequenzen zu tragen, wenn der übernommene Dienst mit einem Fiasko endet und die zu bewachenden Personen oder Sachen einen Schaden erleiden.
In den biblischen Texten des heutigen Sonntags geht es um die Glaubenswächter. Es geht um Menschen, die die Aufgabe haben, über den Zuspruch Gottes für sein Volk zu wachen. Es geht um die Glaubenswächter, also um Menschen, die sich die Worte und die Wege Gottes zu eigen machen und dazu bereit sind, auch andere Menschen darauf hinzuweisen.
Im Alten Testament war diese Aufgabe vor allem den Propheten übertragen. Sie haben im Namen Gottes gesprochen, sie haben im Namen Gottes die Menschen vor dem Unheil gewarnt, sie waren die Wegweiser zum Heil. Das Neue Testament geht in der Spur Jesu und macht uns alle zu Glaubensverantwortlichen, zu Glaubenswächtern. Die Botschaft Jesu von der Liebe zu Gott und von der Liebe zu unserem Nächsten ist so klar, dass alle, die sich für sie entschieden haben, dazu berufen sind, sie zu bewachen, zu beschützen.
Aber sind wir dazu wirklich bereit? Fühlen wir uns als Wächter der Gottes- und der Nächstenliebe in unserer Gemeinde? Setzen wir uns genug dafür ein, Menschen für Jesus und seine Frohe Botschaft zu gewinnen? Das heutige Evangelium nimmt gerade diese Haltung in den Blick. Es versucht, uns zu motivieren, damit auch wir uns für ein blühendes, unverfälschtes Gemeindeleben einsetzen.
In dem Text geht es nicht darum, sich als Richter aufzuspielen, die anderen zu beurteilen und noch dazu andere Menschen in die Konflikte hinein zu ziehen. Es geht darum, dass die christliche Gemeinde meistens nicht von außen, sondern gerade von innen, von den eigenen Mitgliedern bedroht wird, wenn sich diese nicht an die Botschaft Jesu halten. Es geht darum, dass die christliche Gemeinde nur dann eine Kraft und eine Ausstrahlung hat, wenn Menschen, die zu ihr gehören, offen miteinander umgehen aber vor allem, wenn sie den Glaubensschatz bewachen und pflegen.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
um die christliche Gemeinde aufzubauen, braucht es nicht zuerst die Ermahnung, sondern das gemeinsame Gebet. „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20) sind die Worte, die uns dazu verpflichten, immer wieder im Namen Jesu zusammenzukommen, seine Botschaft zu betrachten, um aus ihr leben zu können. Gerade das gemeinsame Gebet ist auch der Ort, an dem die Schwierigkeiten der Gemeinde vor Gott ausgesprochen werden sollen, um mit ihm die Lösungen für die Lebensfragen zu suchen.
Ich wünsche uns allen, dass uns nicht nur der eigene Glaube wichtig ist, sondern auch der Glaube der Schwestern und der Brüder, die zu unserer Gemeinde gehören. Ich wünsche uns, dass unser Umgang miteinander stets von der Nächstenliebe geprägt ist, damit die anderen erkennen, dass wir Wächter der Gottesliebe zu den Menschen in unserer Umgebung sind.
Slawomir Dadas Pfarrer