„Es kam für die Eltern Jesu der Tag der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung. Sie brachten das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn zu weihen. Als seine Eltern alles getan hatten, was das Gesetz des Herrn vorschreibt, kehrten sie nach Galiläa in ihre Stadt Nazaret zurück. Das Kind wuchs heran und wurde kräftig; Gott erfüllte es mit Weisheit, und seine Gnade ruhte auf ihm.“ Lk 2, 22.39-40
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
da das Glück einer Familie oft mit der Entwicklung der Kinder zusammenhängt, möchte ich Sie am heutigen Fest direkt fragen: Wann würden Sie Ihre Kinder enterben? Was müssten Ihre Kinder anstellen, dass Sie sagen würden, aus, das Geld, das ich im Schweiße meines Angesichts erarbeitet habe, kriegen sie nicht. Wäre die Grenze erreicht, wenn Ihre Kinder ganz andere Werte leben würden als Sie selbst? Wahrscheinlich nicht, weil das tun die meisten von ihnen. Oder würden Sie beginnen darüber nachzudenken, wenn Ihre Kinder sich gar nicht für Sie und Ihr Leben interessieren würden und nur drei Mal im Jahr – zum Geburtstag, zu Ostern und zu Weihnachten – ihr Geschenk abholen würden? Oder wäre so ein Schritt wie der des britischen Prinzen Harry, der am Anfang dieses Jahres gemeint hat, er möchte aus dem Familienverband ausbrechen und keine Verpflichtung mehr haben, Grund genug, um zu sagen: dann eben konsequent bis zum Erbschaftsverzicht? Oder ist Ihre Liebe so mit dem Materiellen verbunden, dass Sie sich gar nicht vorstellen könnten, diese Bereiche von einander zu trennen? Denn die Liebe zu den Kindern sollte nie vergehen, egal welche Wege sie einmal in ihrem Leben gehen.
Ich möchte Sie beruhigen, ich möchte Ihre Kinder nicht in Frage stellen und ich wünsche Ihnen mit Ihren Kindern – auch wenn sie manchmal ganz anders ticken als Sie es gerne möchten – nur das Beste. Aber um als Familie glücklich zu sein, muss man sich manchmal fragen: Was macht eine Familie aus, was verpflichtet die einzelnen Personen und wo darf es Meinungsverschiedenheit geben, ohne die Familienzugehörigkeit zu verlieren? Maria, Josef und Jesus helfen uns, darauf Antworten zu suchen.
Zuerst sehen wir in der Betrachtung der Heiligen Familie einen großen Bruch im Verständnis des Familienlebens. Josef und Maria betrachten die Familie im jüdischen Sinn als kleinste soziale, rechtliche und kultische Zelle des Volkes Gottes. Sie hält zusammen, meistert das Leben in der vorgefundenen Tradition und erfüllt alle Gesetze des Mose. Jesus bricht aus diesem Verständnis aus – zumindest nach seinem öffentlichen Auftritt. Er lebt außerhalb seiner Familie und bildet eine geistliche Familie mit seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern. Erst unter dem Kreuz verbindet er die beiden Wirklichkeiten, indem er zu seiner Mutter in der Beziehung auf den Jünger Johannes sagt: Siehe dein Sohn und zu seinem Jünger Johannes: Siehe deine Mutter.
Eine weitere Besonderheit an Maria und Josef war aus meiner Sicht die Deutung ihres Lebens im Licht des Glaubens. Sie betrachteten sich selbst als Werkzeuge Gottes in der Welt, mit ganz konkreten Aufgaben und Aufträgen. Für sie bedeutete Eltern zu sein nicht die Erfüllung der eigenen Wünsche, sondern des Willens Gottes; es bedeutete einen Dienst entsprechend der eigenen Berufung und Begabung. Genau diese Haltung, in jedem Menschen ein Werkzeuge Gottes in der Welt zu sehen, hilft, jede Person als besonders anzunehmen, sie nicht zu überfordern, aber auch sich selbst nicht minderwertig zu betrachten. Wer in diesem Geist lebt, kann alle Familienmitglieder – aber auch sich selbst – als Bereicherung für die anderen sehen.
Und endlich ist Jesus für Maria und Josef auch die Schule des Gottvertrauens. Er wird in den Evangelien als einer dargestellt, der mit Gott eigene Wege geht. Mitgehen, aushalten, hinterfragen, beten und vertrauen, auch wenn man nicht alles versteht, können wir von Maria und Josef lernen. An seinem Leben wachsen sie im Vertrauen, dass das Heil Gottes auch dort zu finden ist, wo sie es nicht erwartet haben.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
die Heiligkeit einer Familie hängt nicht davon ab, ob die Erbfolge geregelt ist, oder ob sich alle nach den Regeln der Tradition verhalten. Die Heiligkeit einer Familie hängt davon ab, ob man Gott mit seinen heilbringenden Kräften in das Leben der Familie einlässt. Das diesjährige Weihnachtsfest kann dafür eine Prüfung gewesen sein, gerade in einer Zeit, wo man fast alles neu denken musste. Was ist geblieben von diesem Fest? Geschenkpapier, ein Haufen Geschirr zum Abwaschen oder doch das Gefühl, dass das Kind aus Bethlehem eine Kraft ausstrahlt und uns zu einem besseren Leben gerade innerhalb der Familie verpflichtet?
Ich wünsche allen, die Kinder haben, dass Sie nicht darüber nachdenken müssen, ob diese ihres Erbes würdig sind, sondern dass sie versuchen, jedes Leben innerhalb der Familie im Licht des Glaubens zu sehen. Ich wünsche uns, dass wir als Einzelne und als Gemeinschaft von der Heiligen Familie lernen, an Schwierigkeiten im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe zu wachsen.
Slawomir Dadas Pfarrer