„In jener Zeit rief Jesus die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen Vollmacht über die unreinen Geister und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen. Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt bis ihr den Ort wieder verlasst! Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, ihnen zum Zeugnis. Und sie zogen aus und verkündeten die Umkehr. Sie treiben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.“ Mk 6, 7-13
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
seit einigen Wochen haben uns die Nachrichten aus Kanada erreicht und erschüttert, dass bei kirchlichen Internaten Gräber von tausenden Kindern gefunden wurden. Die Untersuchung der Fälle brachte ein Stück der dunklen Geschichte des Landes ans Tageslicht. Nach 1874 und bis zu den 70-er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden ca. 150.000 Kinder von indigenen und gemischten Paaren von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und in sogenannte Umerziehungsheime gesteckt, um sie dort an die weiße Mehrheitsgesellschaft anzupassen. Dass dabei auch Gewalt an der Tagesordnung war, war ein Teil des Programms. Ich frage mich, warum sich die Kirche an solchen Praktiken beteiligt hat. Warum hat sie das wichtigste Gebot – die Gottes- und die Nächstenliebe – verworfen und Hand in Hand mit politischen Interessen am Missbrauch und an Gewalt teilgenommen? Hatte das etwas mit dem Verständnis des Begriffs Mission zu tun? Waren die Verantwortlichen für diese Gräueltaten verblendet durch den Wunsch, reinrassige Kirchenmitglieder zu haben? Mag sein, dass es so gewesen ist. Aber wenn es so war, dann fordert uns das als Glaubensgemeinschaft heraus und zwingt uns, bei unserem Tun immer wieder nach dem Willen Jesu zu fragen. Denn in den biblischen Texten haben wir heute von der Sendung gehört, von der Sendung Jesu und von der Sendung seiner Jünger, also von der Mission im Namen Gottes.
Aber diese Mission hat mit den Praktiken, die in Kanada geschehen sind, nichts zu tun. Sie unterscheidet sich auch von Meinungen, die manchmal auf die Mission übertragen werden: im Sinne der Überzeugung der Mitgliedergewinnung für eine Gemeinschaft, der Einschüchterung durch die Bilder der ewigen Verdammnis.
Um die Mission der Kirche zu verstehen, müssen wir zuerst die missionarische Sendung Jesu anschauen.
Jesus hat sich selbst als vom Vater gesandt bezeichnet, weil Gott sich vor allem durch Vermittler an die Menschen gewandt hat: durch Engel, Propheten, zum Schluss durch seinen Sohn. Diese Sendung hatte eine klare Botschaft des Heils, weil Gott die Menschen mit dem Heil schon hier auf der Erde und einst in Ewigkeit beschenken will.
Die besondere Eigenschaft Jesu als Missionar der Liebe Gottes war seine Einheit mit dem Vater und die Einheit der Botschaft mit seinem Leben. Jesus verkündet nicht seine Lehre, sondern die des Vaters und bewirkt, dass alle, die sich darauf einlassen, sich als geliebte, reichlich beschenkte Kinder Gottes erfahren, denen alles vergeben wurde und sie als versöhnte Menschen – also ohne Angst – leben dürfen.
Nur in diesem Sinne kann die Mission der Kirche verstanden werden. Nur auf der Haltung Jesu darf die christliche Mission aufgebaut werden. Denn Christus hat seine Jünger mit einem bestimmten Anspruch an sie selbst und an die Welt ausgesandt. Sie selbst sollen Zeugen der Liebe Gottes sein: anspruchslos und frei von den Erwartungen an die Gastfreundschaft derer, zu denen sie gesandt sind. Sie sollen essen, was sie bekommen, mit den Menschen leben, die sie aufnehmen. Sie haben einen therapeutischen Auftrag: in der Welt heilend zu wirken (wofür das Öl als Symbol steht) und die Welt von den zerstörerischen und dämonischen Kräften zu befreien. Sie haben den Auftrag, Menschen zur Einheit mit Gott und untereinander zu führen, die Welt nicht zu richten, sondern aufzurichten. Die Kirche ist also nur dann missionarisch, wenn sie sich an den Auftrag Jesu hält und ihn erfüllt.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
die christliche Mission ist kein Zeichen der Macht, kein Mittel, um gesellschafts-politische Ziele zu erreichen. Die christliche Mission ist ein Zeichen der Liebe Gottes und sie bringt das Heil, oder aber sie ist keine christliche Mission.
Ich wünsche uns allen, dass wir missionarisch leben, was bedeutet, dass wir als Zeugen der Liebe Gottes in der Welt erkannt werden und heilend in der Welt wirken. Ich wünsche uns, dass wir Mission nicht mit Macht und nicht mit Mitgliederanwerbung verwechseln, sondern aus der Einheit mit Gott die Einheit mit allen Menschen suchen, und uns nicht von den zerstörerischen und dämonischen Kräften in der Welt verführen lassen.
Slawomir Dadas Pfarrer