Liebe Schwestern, liebe Brüder,
das Wort Immunität spaltet in den letzten Wochen unsere Gesellschaft. Es wurde besonders oft im Zusammenhang mit der Pandemie verwendet, aber wenn Sie sich noch erinnern, wurde es auch im politischen Kontext gebraucht, bei den Herren Strache und Kurz. Denn Immunität –oder anders gesagt Schutz – meint nicht nur die ausreichenden Abwehrmechanismen eines Organismus gegenüber krankmachenden Viren oder Bakterien nach einer überstandenen Krankheit oder nach der empfangenen Impfung, sondern auch einen politischen Status der Abgeordneten und Diplomaten, der sie vor der Strafverfolgung bewahrt. In den letzten Monaten und Wochen haben wir auch einige emotionale Meldungen über einen anderen Schutzgehört: den Grenzschutz in Litauen, Polen, Frankreich und Großbritannien, der das Überschreiten von Landesgrenzen durch Menschen ohne Bewilligung verhindern sollte.
Sie merken, beim Wort „Schutz“ handelt es sich um einen Ausdruck mit einem von Grund auf positiven Inhalt, der aber dennoch mit sehr vielen Emotionen verbunden wird. Denn es scheint so zu sein: etwas, das für einige den Schutz bedeutet, stellt für die anderen eine Bedrohung dar.
Da wir heute über die Schutz-Engel nachdenken wollen, ist es vielleicht berechtigt, plakativ zu werden und zu fragen: Sind die Schutzengel wie die Grenzsoldaten, die die Menschen vor dem Eindringen des Bösen bewahren, oder sind sie eine Gefahren-Impfung, die einen unerwarteten Schaden abwehrt oder vielleicht doch wie die politische Immunität, die auf Zeit eine gewisse Freiheit von Bedrohung garantiert?
Nichts von dem. Das Alte und das Neue Testament kennen Engel mit verschiedenen Aufgaben und in unterschiedlichen Funktionen. Eines verbindet sie aber: Sie sind Zeugen der Herrlichkeit und der Größe Gottes und dadurch sind ihre Aufgaben mit der Zuwendung Gottes zu den Menschen verbunden. Sie sind also die Vermittler, die Überbringer des Heils, das von Gott ausgeht. Und da es Gott gut mit den Menschen meint, werden seine Engel als die Begleiter auf dem Weg zum Guten erlebt und verstanden.
Die Engel treten in der Bibel als Beschützer des Volkes (die Zusage an den Abraham; Gen 24,7) oder der einzelnen Personen auf (wie Daniel Dan 6,23). Jesus selbst war nicht nur mit den Engeln verbunden, sondern er hatte einen „Schutzengel“, der dem Josef im Traum befohlen hatte, vor dem Herodes nach Ägypten zu fliehen. Er war sich bewusst, dass die Engel ihn beschützen würden, als er im Garten Getsemani den Petrus zurechtgewiesen hat, damit er nicht mit Gewalt gegen die Verhaftung vorgeht (Mt 26,53). Jesus hat der jungen Kirche seinen Schutz und seine Begleitung versprochen. Die Apostel haben es als Wirken der Schutzengel in ihrem Leben erfahren (Apg 5,19ff; 12,7ff; 27,23ff).
Trotz der Schutzengel sind Jesus und die meisten Apostel zum Tod verurteilt und hingerichtet worden. Hatten ihre Schutzengel den einen oder den anderen Moment verschlafen? Waren sie doch nicht so mächtig gegen die Macht des Bösen? Gerade in dieser Haltung Jesu und seiner Freunde kommen wir dem Wirken der Schutzengel in unserem Leben näher. Gottes Heilspläne meinen nicht, jede und jeden gegen ihren Willen, um jeden Preis und aus jeder Not zu retten. Gott zeigt seine Heilspläne in der Welt durch das Wirken der Menschen. Gott stellt uns auch die Menschen zur Seite, die uns auf das Heil hinweisen und er mischt sich auch von oben in unser Leben aufgrund seiner liebenden Sorge um uns ein.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
vielleicht kennen Sie den Spruch: „Fahre nicht schneller, als dein Schutzengel fliegen kann“, der beim Schutz auch auf die Selbstverantwortung hinweist. Gott schenkt uns seine heilenden Kräfte durch verschiedene Kanäle. Die Schutzengel sind einer davon. Sie sind aber keine Immunität gegen die Dummheit, gegen das Böse, gegen alle Lebensgefahren. Sie und ihr Wirken machen uns aber bewusst, dass wir nicht alleine durch das Leben gehen. Sie erinnern uns an Gott und an seinen Heilswillen und an seine Sorge um uns, weil er möchte, dass es uns gut geht. Ich wünsche uns allen, dass wir mit den Engeln durch das Leben gehen. Ich wünsche uns, dass wir in ihnen nicht die himmlische Feuerwehr sehen, sondern die himmlischen Postboten, die uns ständig daran erinnern, dass wir von Gott geliebt sind und dass er uns auf dem Weg zum ewigen Heil jetzt helfen möchte.
Slawomir Dadas Pfarrer