Liebe Christinnen und Christen! Liebe versammelte Gottesdienstgemeinde!
Gemeinsam mit Ihnen will ich ins Evangelium (Lk 5, 1-11) eintauchen:
Es muss absolut frustrierend gewesen sein. Die Fischer sind stundenlang am See unterwegs, an diesem Tag will ihnen einfach nichts gelingen. Es ist ihre Arbeit, die sie seit Jahren beherrschen und wohl von ihren Vätern gelernt haben, dass sie in den Nachstunden die Netze auswerfen, um Fische zu fangen. Es ist eine harte Arbeit, die gründliche Vor- und Nacharbeit braucht, damit die Netze einsatzfähig bleiben. Und an diesem Tag haben sie gar nichts gefangen. Keinen einzigen Fisch. Ein Umstand, der existenzbedrohend werden kann, insbesondere, wenn er sich wiederholt: es hängen nicht nur sie selber daran, auch ihre Familien betrifft das.
Jesus kommt mitten in diese unbefriedigende Alltags-Situation hinein, um die er sich zuerst nicht annimmt. Er bittet darum, ein Stück auf den See gebracht zu werden. Und als hätte er grad nichts Besseres zu tun, bringt ihn Simon weg vom Ufer. Warum er das tut, wissen wir nicht. Jesus hatte bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad, wir erinnern uns, dass wir letzten Sonntag von seinem Wirken in der Synagoge gehört haben. Die Menschen interessieren sich für ihn. Er lehrt dort vom Wasser aus.
Es wirkt für mich wie ein „Danke“, dass er Simon danach einen Tipp gibt: „Fahr doch dorthin, wo es tief ist“. Wie und woher soll er gewusst haben, dass da noch etwas zu holen ist? Simon greift den Hinweis auf. Es wird nicht beschrieben warum. Wenn wir im vorhergehenden Kapitel des Lukasevangeliums nachlesen, dann wird berichtet, dass Jesus zuvor die Schwiegermutter des Simon geheilt hatte (Lk 4,38f), dass er Dämonen ausgetrieben hatte und aus der Geistkraft Gottes nach seinem Rückzug in die Wüste in den Synagogen in Galiläa und Judäas gelehrt hatte. Und trotzdem: Jesus war in der Familie des Zimmermanns Josef aufgewachsen, er war kein Fischer.
Wem vertrauen wir? Wem trauen wir zu, etwas zu wissen, was uns weiterbringt?
Ganz grundsätzlich stelle ich mir die Frage, wem wir heute vertrauen. Von wem wir uns etwas sagen lassen. Wen wir in schwierigen Entscheidungssituationen zu Rate ziehen. Und wie wir entscheiden, was wir dann konkret umsetzen. Gerade die Diskussionen der letzten beiden Jahre angesichts der heiklen Gesundheitsfragen haben mit gezeigt, dass das ein heißes Thema ist. Gesellschaftlich und individuell.
An manchen Wegpunkten im Leben stellen sich grundlegende Fragen (z.B. bei Jugendlichen, in der vermeintlichen Lebensmitte oder beim Übergang in den Erwerbsruhestand):
- Wohin zieht es mich?
- Was ist mir wirklich, wirklich wichtig?
- Will ich mit einem Menschen mein Leben bzw. mein weiteres Leben verbringen?
- Welcher Tätigkeit will ich nachgehen?
- Wie will ich die mir geschenkte Lebenszeit einsetzen?
Einige der Fragen habe auch ich mir gestellt angesichts des beruflichen Wechsels, der mich hier her in die Pfarre Wels Hl. Familie geführt hat. Im Rückblick sehe ich deutlich, dass eine maßgebliche Veränderung im Leben auf alle anderen Lebensbereiche Einfluss hat: Beziehung – Erwerbs- und unentgeltliche Arbeit – Engagement – Familie – Freundeskreis… Viel habe ich in mich hineingehört, wohin es gehen soll, eine Zeit lang habe ich mich in die Stille und Einsamkeit zurückgezogen, gebetet, nach Hinweisen und Zeichen Ausschau gehalten und mit Menschen, die mir nahestehen gesprochen. Und dann ist für mich immer deutlicher geworden, dass die Tätigkeit hier der sinnvolle nächste Schritt ist.
Zurück zum Evangelium:
Angesichts der Resonanz, die die Fischer auf das nochmalige Auswerfen der Netze erfahren, stellen sich für sie vermutlich mehrere Fragen: „Was haben wir zuerst falsch gemacht?“ oder „Wie hat er das wissen können?“. Simon und die Fischer sind von dem Fang in Überfülle überrascht und erschrocken. Simon anerkennt den guten Rat und erniedrigt sich selbst, in dem er sich niederwirft und seine Begrenztheit bekennt.
Jesus spricht ihm zu: Fürchte dich nicht und er gibt Simon eine Perspektive: Du wirst zukünftig nicht mehr nur fischen sondern mit Menschen zu tun haben. Schwer beeindruckt, lassen die ersten Jünger alles liegen und stehen und sind der neuen Perspektive gefolgt.
Ein Berufungserlebnis auch in der Lesung:
Vier wesentliche dynamische Elemente enthält die Lesung, die von der Berufung des bedeutenden Propheten Jesaja (öffentliches Wirken 739 – 697 v. Chr.) berichtet:
- Eine großartige, mit den Sinnen wahrnehmbare Vision Gottes (Überwältigend großartiges Bild des Herrn am Thron, Rauch, Beben, Heiligrufe…)
- Das Eingeständnis der eigenen Begrenztheit und Fehlerhaftigkeit durch Jesaja, der sich für unwürdig hält.
- Die Aufrichtung und die Reinigung (durch glühende Kohlen, die den Mund berühren, getragen von einem Seraph)
- Gerufen werden und selbst freie Antwort geben. „Hier bin ich, sende mich!“
Träger*innen der Botschaft:
Nicht nur makellos Auserwählte ruft Gott zu seinen Botschafter*innen, sondern Menschen unterschiedlicher Herkunft, die im Leben stehen, so wie du und ich. Er traut dem vermutlich adelig abstammenden Jesaja, er traut dem Fischer Simon, er traut uns zu, zu Träger*innen seiner Botschaft zu werden.
Und der Kern dieser Botschaft ist: Umzukehren, wo wir uns verrannt haben, der Frohen Botschaft zu glauben und wesentlich zu werden auf die Liebe Gottes hin, die durch uns in dieser Welt wirken soll. Das ist kein Selbstläufer, ganz und gar nicht – dazu gibt es in den biblischen Texten und auch in der kirchlichen Tradition mehr als genug Hinweise vom Gelingen, aber auch von Scheitern und Entmutigung. Es ist eine bleibende Herausforderung. Für mich kann ich sagen: ich nehme die Herausforderung an: Challenge accepted!
Oder wie wir es in der Lesung gehört haben: „Hier bin ich, sende mich“
Christoph Burgstaller Pastoralassistent