Ängste mit Gott überwinden

„In jener Zeit ging Jesus zum Ölberg. Am frühen Morgen begab er sich wieder in den Tempel. Alles Volk kam zu ihm. Er setzte sich und lehrte es. Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu ihm: Meister, diese Frau wurde beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt. Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? Mit diesen Worten wollten sie ihn auf die Probe stellen, um einen Grund zu haben, ihn anzuklagen. Jesus aber bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie hartnäckig weiterfragen, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie. Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie das gehört hatten, ging einer nach dem anderen fort, zuerst die Ältesten. Jesus blieb allein zurück mit der Frau, die noch in der Mitte stand. Er richtete sich auf und sagte zu ihr: Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt? Sie antwortete: Keiner, Herr. Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr.“ Joh 8, 1-11

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

in den letzten zwei Jahren wurde die Angst zu einem großen Thema in der Gesellschaft. Zuerst hat die Coronapandemie einige Ängste hervorgerufen: Angst um den Arbeitsplatz, Angst um eine gute Ausbildung, Angst vor der Ansteckung, Angst um eine ausreichende Versorgung und ein Symbol dafür das Toilettenpapier … Mit der Zeit haben die meisten Menschen gelernt, mit der Situation umzugehen. Aber plötzlich hat sich eine neue Front aufgetan, die viele mit Angst erfüllt. Mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine wurden neue Ängste präsent: Angst vor einem Weltkrieg und allem, was damit zusammenhängt, wiederum Angst, nicht ausreichend versorgt sein zu können, Angst vor den Strom- und Gasengpässen, Angst, ohne Perspektiven und Sicherheiten aufwachsen zu müssen.

Diese Ängste sind verständlich, weil sie natürlichen und aktuellen Bedrohungen entspringen. Aber die Angst ist nichts Neues. Sie spielt eine wichtige Rolle als Warnsystem und Schutzmechanismus, die auf Gefahren hindeuten. Darum wurde in der Geschichte die Angst als Erziehungsmittel eingesetzt. Die Märchen, die seit Generationen erzählt wurden, hatten die Aufgabe, bereits die Kinder auf die Gefahren des Lebens hinzuweisen, so war z.B. der Wolf aus dem Rotkäppchen schon immer ein Synonym für die Gefahren, wenn man alleine unterwegs ist.

Auch im religiösen Bereich wurden die Ängste verwendet, um eine gewisse religiöse Grundhaltung zu erzeugen. Die Gesetze und Gebote wurden als Tabugrenzen aufgestellt, um das Leben in der Gemeinschaft zu schützen und um moralische Normen für das gemeinsame Leben aufzustellen. Eine Übertretung der Gesetze wurde mit Ängsten verbunden, weil dafür Strafen vorgesehen waren, die bis zum Ausschluss aus der Gemeinschaft oder bis zum Tod reichten. Aber zu unserem Burggeist. Wenn man an einen Burggeist glaubt, dann ist das meistens eine unruhige, in der Geschichte gefangene Gestalt, die nach Erlösung sucht. Es kann sein, dass die Ursache dafür eine unglückliche Liebe, ein Verbrechen, ein unversöhnter Tod gewesen ist. Ein solcher Geist ist ein Symbol für die vielen Ängste, die uns im Leben begleiten. Denn er führt uns vor Augen, dass es Dinge gibt, die auch über den Tod hinaus Unruhe stiften können, dass es Probleme gibt, die der Tod scheinbar nicht lösen kann. Ein solcher Geist macht uns bewusst, dass es Schuld gibt, die mit dem Tod nicht verschwindet, sondern einen Menschen beschäftigt und gefangen hält. Daraus können auch Ängste entstehen, die mit der eigenen Schuld verbunden sind. Werde ich nach dem Tod Ruhe finden, oder werde ich spuken, werde ich zum Hausgeist, der die anderen auf seine Probleme aufmerksam macht?

Als Christen begegnen wir solchen Situationen mit dem Glauben, der sich gerade zu Ostern mit dem Tod und mit dem Leben danach beschäftigt. Jesus ist nach der Auferstehung erschienen, so dass die Jünger manchmal dachten, dass es ein Geist wäre. Erst in der Begegnung mit ihm erkannten sie ihn, nicht als den, der zwischen den Welten gefangen war, sondern als den, der sie gestärkt und ihnen Mut gemacht hat, zu einem Leben nach seiner Botschaft. Und diese Botschaft hilft, die Ängste zu überwinden. Denn sie sagt, wie in der heutigen ersten Lesung: „Denk nicht mehr an das, was früher war; auf das was vergangen ist, achtet nicht mehr! Siehe, nun mache ich etwas Neues“, oder im Evangelium: „Hat dich keiner verurteilt? … Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr“.

Gott will eine neue Welt, in der nicht einmal die Angst vor der Schuld und vor dem Tod herrscht. Gott will eine Welt, die sich durch die Vergebung auszeichnet, durch einen Blick nach Vorne. Gott will, dass die Menschen das Leben frei gestalten und sich nicht selbst gefangen halten in ihren alltäglichen Sorgen und Problemen.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

die Ängste werden manchmal geschürt, um bei den Menschen eine gesellschaftliche Stimmung zu erzeugen und daraus politisches Kapital zu schlagen. Durch Ängste kann man Menschen manipulieren und auch vom Glauben abbringen. Aber die Ängste können auch besiegt werden. Ich wünsche uns allen, dass wir stets mit Jesus verbunden bleiben, der uns im Glauben stärkt und uns Mut macht. Ich wünsche uns, dass wir von unserem Burggeist lernen, dass man mit Gott Ängste überwinden kann, weil unser Gott ein Gott der Befreiung ist und kein Gott der Ängste.

Slawomir Dadas
Pfarrer