Nachfolge Jesu ist und bleibt eine große Herausforderung

Was sind das plötzlich für haarsträubende Forderungen? Kümmere dich nicht um das Begräbnis deines Vaters, lass deine Familie zurück, nicht einmal für den Abschied hast du Zeit. Das ist ein totaler Tabubruch, das geht gegen alle Regeln der Menschlichkeit und widerspricht auch all den Gesetzen, denen sich Jesus selbst verpflichtet weiß. Wenn, dann kennen wir so etwas nur von traumatischen Ereignissen wie einer Einberufung zu einem plötzlich ausgebrochenen Krieg, oder der brutalen Vertreibung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe.

Hier verlangt Jesus das als Bedingung für seine Nachfolge, und eigentlich wollen wir das sein und fühlen uns auch als seine Nachfolger. Wie gehen wir dann mit diesem, fast grausam anmutenden Verlangen um.

Nachfolge wurde damals als tatsächliches Hinterhergehen verstanden. Lukas schildert demnach die Nachfolge Jesu als persönliche Gefolgschaft auf seinem Weg. Ein Weg beginnt mit dem ersten Schritt auf ein bestimmtes Ziel hin. Wenn man dabei sein will, muss man sofort dabei sein, der gemeinsame Weg kann nicht mit Zögern und Zaudern, nicht mit Vorbehalten oder einfach ein paar Tage später begonnen werden. Und auf dem Weg gibt es kein zurückblicken – es würde das Ziel aus den Augen verloren werden. Im Altgriechisch gibt es für unser Wort „Zeit“ zwei Begriffe. Chronos, das ist die Zeit, wie wir sie kennen und verstehen, die Zeit, die fließt, die ein Vorher und ein Nachher kennt. Kairos dagegen ist „der richtige Augenblick“. Der richtige Zeitpunkt, der vielleicht nicht wiederkommt und darum wahrgenommen werden muss, sonst ist er vorbei. Darum geht’s im Evangelium.

Unser Verständnis von Nachfolge Jesu muss natürlich ein anderes sein. Wir verstehen darunter, die Lehre Jesu in unserem Leben möglichst getreu umzusetzen. Wie das konkret aussehen soll, dafür wurden endlos viele detaillierte Anweisungen und Vorschriften formuliert. Aber wenn wir die Botschaft genau betrachten und erforschen, dann kommen wir unweigerlich auf das, was Jesus als wichtigstes Gebot genannt hat: du sollst deinen Gott lieben, und deinen Nächsten wie dich selbst. Alles, was Jesus gelehrt hat weist darauf hin und ist nur eine Ausfaltung dieses größten Gebotes. Auch die Bergpredigt, die zentrale Lehraussage Jesu, ist im Grund nur eine Konkretisierung davon.

Und jetzt bekommen die harschen Bedingungen Jesu auch für uns Sinn. Die Nachfolge bringt Schwierigkeiten, Unruhe und Aufwand in unser Leben und ist sicher nichts, das uns einfach gemütlich ausruhen lässt. Auch wenn die Liebe zum Nächsten nicht mit dem zu verwechseln ist, was wir landläufig unter Liebe verstehen, so verlangt es Respekt, Achtung und Ehrfurcht – nicht vor den Handlungen, den Ansichten und dem Verhalten, aber vor dem Menschen, vor der Person, die Kind Gottes ist wie ich selber. Das heißt, dass wir immer wieder über unseren Schatten springen müssen und nicht auf Sympathie oder Abneigung setzen dürfen.

Und oft noch schwieriger ist es, die Achtung und die Ehrfurcht uns selber gegenüber aufzubringen, ungeachtet unserer Fehler und unseres Versagens, weil wir eben auch und zuerst Kind Gottes sind. Wenn wir uns selbst nicht lieben, dann können wir auch den Nächsten nicht lieben und dann können wir schon gar nicht Gott lieben.

Mit dem Kairos, dem rechten Moment, ist es für uns leichter. Uns werden immer wieder Gelegenheiten geschenkt, neu zu beginnen, einen neuen Anfang zu setzen. Nachfolge Christi ist ständiger Aufbruch.  Zurückschauen ist aber auch für uns nicht gut. Trauer über begangene Fehler bringt uns nicht weiter. Es ist, und es bleibt eine große Herausforderung, sich in die Nachfolge Jesu zu begeben.

Aber wir haben sein Versprechen, dass er bei uns ist und uns nicht allein lässt.

Rudolf Bittmann
Diakon