Predigt in der Ehejubilarfeier

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

vor ein paar Tagen habe ich ein Auto mit der Aufschrift gesehen: „Perfect Wedding“ – also perfekte Hochzeit. In der Regel versteckt sich dahinter eine Hochzeitsplanerin, die den Menschen hilft, ihren Hochzeitstag vorzubereiten. Dabei wird darauf geschaut, ob farblich alles auf einander abgestimmt ist, ob genügend Taschentücher für die bewegten Momente des Tages vorhanden sind, ob die Lieblingsspeisen auf den Tisch kommen … Dass dabei Filme und Fernsehshows als Vorbilder gelten, versteht sich von selbst, weil die meisten Menschen zumindest für ein paar Augenblicke zu den Stars gehören wollen.

Da ich in den kommenden Tagen einigen Hochzeiten assistieren werde, habe ich mich gefragt, wie unterscheidet sich die Hochzeitsvorbereitung heute im Vergleich zu der vor 30 oder 50 Jahren. Haben Sie, liebe Jubelpaare, darauf geschaut, eine perfekte Hochzeit zu haben? Aus vielen Gesprächen mit Ehepartnern von lang gelebten Ehen weiß ich, dass es vor fünfzig oder sechzig Jahren finanziell nicht möglich war, über die Perfektion eines Festes nachzudenken. Und aus christlicher Sicht geht es bei einer Eheschließung gar nicht um die Perfektion, sondern um die Liebe. Bei einer Hochzeit geht es nicht darum, dass einige Wochen danach noch darüber gesprochen wird, wie super alles organisiert war, sondern darum, dass man die Liebe feiert, die durch das Leben trägt. Die Perfektion ist immer mit der Gefahr verbunden, einer Vorstellung entsprechen zu wollen und das Fest an dieser Vorstellung und nicht am Gefühl, nicht an der Liebe zu messen.

Da wir heute nicht die Jubiläen der perfekten Ehen feiern, sondern Ehen, die als Sakrament geschlossen wurden, die durch dick und dünn gegangen sind, die trotz Veränderungen im Leben zu einander stehen und füreinander da sind, haben wir für Sie das Symbol des Liebstöckls gewählt. Das Liebstöckl gehört zu den Heilpflanzen und es wird ihm vielfältiges Wirken zugeschrieben. Neben ätherischem Öl enthält Liebstöckel verschiedene Vitamine, wie z.B. Vitamin B, C sowie solche Mineralstoffe wie Kalzium, Eisen und Kalium.

Seine Wirkung auf den Köper wird folgendermaßen beschrieben: Liebstöckel entlastet das Bindegewebe, lindert Zellulitis oder Kopfschmerzen, Rheuma und Gicht.

Auf emotionaler Ebene ist das Liebstöckel besonders gut anwendbar gegen Aufregung und Überspannung; für Menschen in Stresssituationen, weil es den Fluss der Lebensenergie anregen und die Libido und Liebeslust aktivieren sollte.

Liebe Jubelpaare,

das meiste von dem, was beschrieben wurde, brauchen Sie gar nicht, weil Sie weder auf die Perfektion der Hochzeit noch auf den Zauber der Natur gesetzt haben. Sie haben auf einander gesetzt, auf Menschen, die sich begegnet sind, die sich ineinander verliebt haben, die sich vorgenommen haben, die schweren und die freudigen Stunden des Lebens miteinander zu teilen. Sie wurden nicht als Roboter geschaffen, die tadellos nach einer Vorgabe funktionieren, sondern als Menschen, die immer das Glück suchen, um es miteinander zu teilen, die sich darum bemühen, ihre Anfangsliebe reifen zu lassen und zu verwandeln.

Ein kirchliches Ehejubiläum ist ein Fest einer Liebe, die die Welt nicht mehr durch eine rosa-rote Brille betrachtet, sondern einer Liebe, die sich im Verschenken an einander, an Kinder und an Enkelkinder und an die Gemeinschaft zeigt und darin greifbar wird. Ein kirchliches Ehejubiläum ist kein Fest der Vorstellung von einer perfekten Beziehung, sondern das Fest des Vertrauens, dass das Leben von Gott begleitet und gesegnet gut und heilsam ist.

Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich zu Ihrem Jubiläum. Mit dem Liebstöckl wünsche ich Ihnen, dass Sie für einander heilend da sind und auf einander heilend wirken. Ich wünsche Ihnen, dass Sie selbst zu einem Liebstöckl werden, also zu einem Menschen, der das Leben und die Beziehungen weiterhin aus Liebe gestaltet und dadurch heilend in der Welt wirkt.

Slawomir Dadas
Pfarrer