Will Jesus Spaltung und Zwietracht?

Vor ein paar Wochen habe ich hier vom Frieden geredet, den Jesus uns so eindringlich, geradezu beschwörend versprochen hat. Seinen Frieden, einen Frieden, wie ihn die Welt nicht geben kann hat er zugesagt.

Und jetzt spricht scheinbar ein völlig anderer Jesus zu uns. Nicht den Frieden will er bringen, sondern das Gegenteil, er will Spaltung und Zwietracht bringen, mitten in unsere Familien, unsere Freundschaften, genau da hinein, wo wir uns eigentlich geborgen fühlen sollten.

Falls das, was uns die Evangelisten hier von Jesus berichten, einfach wörtlich, als Zitat zu verstehen wäre, dann wäre Jesus eine zutiefst gespaltene Persönlichkeit. Aber davon kann natürlich keine Rede sein.

Die Schilderung Jesu erinnert mich unmittelbar an Erzählungen meiner Eltern über ihre Zeit als Jugendliche und junge Erwachsene. Nichts war nach dem ersten Weltkrieg mehr normal, alles war von Politik und politischen Weltanschauungen dominiert.

Alle Gruppierungen wurden von ihren Anhängern fanatisch vertreten und bekämpften sich mit allen Mitteln. Die Gräben zogen sich durch die Gesellschaft, durch die Familien und durch die Freundschaften. Für Christen konnte es durchaus gefährlich sein, die Botschaft Jesu in Erinnerung zu bringen und das Recht auf Freiheit der Menschen und auf freies Leben ohne Zwang zu verteidigen.

In der Zeit, in der Lukas sein Evangelium geschrieben hat. 40, 50 Jahre nach dem Tod Jesu, hat sich die Christengemeinde von einer mehr oder weniger kleinen Sekte im Judentum zu einer eigenständigen Religionsbewegung entwickelt. Die Christen erregten Anstoß bei den Juden, genauso wie bei der heidnischen Bevölkerung der Griechen, unter der sich die neue Christenbewegung schnell ausbreitete. Es gab immer mehr Repressalien, auch Verfolgung. Christsein war nicht ungefährlich. So dürften viele der Konfrontation und der Diskussionen müde geworden sein, sie versteckten ihre von Christus gelehrte Überzeugung, versuchten, nicht mehr Anstoß zu erregen und  ordneten sich den allgemeinen Ansichten und Gepflogenheiten unter.

In diese Situation hinein richtet Lukas sein Evangelium.

Bei uns heute ist es anders. Wir werden wegen unseres Christ-Seins nicht bedroht oder verfolgt. Unsere Kultur nennt sich christlich, wir leben im christlichen Abendland. Und dennoch wird uns eingetrichtert, unsere Kultur wäre bedroht. Wir müssten uns wehren. Wehren gegen Andersgläubige, Andersfarbige, Anderssprachige – einfach gegen alles andere. Die Methoden in dieser Abwehr sind das Gegenteil von christlich. Christentum ist doch ganz wesentlich geprägt von der Achtung und dem Respekt vor dem Mitmenschen, Geschöpf Gottes, genau wie wir. Das eigene Wohlergehen, der eigene Besitz, auch wenn er nur eingebildet ist, wird über alles gestellt. Wenn wir Christen da widersprechen, dann hagelt es durchaus Anfeindungen, Beleidigungen und Schmähungen. Und so ist die Verlockung groß, so wie damals zur Zeit des Lukas, sich nach den allgemein akzeptierten Ansichten, nach dem Mainstream zu richten, lieber den Mund halten als eine Auseinandersetzung zu riskieren.

Erinnern Sie sich an den Anfang des Evangeliums? Das Feuer, das Jesus auf die Erde geworfen hat, dieses Feuer des Heiligen Geistes, es möge wieder mehr aufflackern und zu brennen beginnen in uns, uns Mut machen zu widersprechen.

Sollen sie uns doch naive Gutmenschen nennen.

Rudolf Bittmann
Diakon