Liebe Geschwister im Glauben!
In den Predigtgedanken werde ich heute kurz auf die zwei Schriftstellen eingehen und abschließend eine sehr persönliche Verarbeitung einer Trauererfahrung erzählen.
Das ewige Leben nach dem irdischen Tod ist eine ganz grundlegende Hoffnung für uns Christ*innen. Die noch junge frühchristliche Gemeinde im heutigen Thessaloniki sieht sich diesbezüglich mit einem besonderen Thema konfrontiert – der Naherwartung des Kommens des Reiches Gottes, der Wiederkunft des verherrlichten Christus am Ende der Weltzeit – aus dem Griechischen „Parusie“. Paulus ging davon aus, dass Jesus noch zu seinen Lebzeiten wiederkommen und sein ewiges Reich begründen würde. So deutlich spricht er das im Vers 15 im vierten Kapitel des ersten Briefes an die Gemeinde in Theassalonich an. Denn Jesus hat mehrfach von Warten und vom Wachsein in seinen Gleichnissen erzählt – Hinweise sind z.B. im Gleichnis der von dem treuen Hausverwalter in?Matthäus 24,45.46 ( … wenn er kommt) oder Gleichnis von den zehn? Jungfrauen in?Matthäus 25,1–13. Die Gläubigen in Thessalonich erwarten demnach auch die Wiederkunft Christi noch zu Lebzeiten, nicht ihren eigenen Tod. Nun stellte sich die Frage, angesichts des Sterbens einiger Gemeindemitglieder, wie es denen ergehen wird, die zwischenzeitlich gestorben sind. Paulus stellt klar: es wird keinen Unterschied zwischen den dann noch Lebenden und den Toten geben – es wird zur Begegnung mit dem Herrn kommen und zur Gemeinschaft mit ihm.
Im Johannesevangelium begegnet uns in seiner Dynamik ein Teil eines beeindruckenden Textes rund um Lazarus – es ist das siebte Zeichen, von dem der Evangelist Johannes berichtet, wir haben daraus den mittleren Teil gehört: Vorab ist Jesus nicht in Judäa, er bekommt eine Nachricht von den Schwestern Marta und Maria, dass sein Freund Lazarus krank ist. Heute wäre das wahrscheinlich eine Nachricht in einem Messenger-Dienst am Smartphone, das ging damals klarerweise noch nicht.
Interessant ist: Jesus bricht aber nicht sofort auf, er bleibt zwei Tage, als würde er noch etwas abwarten wollen. Es entspannt sich ein Gespräch mit den Jüngern, in dem deutlich wird, dass es für Jesus gefahrvoll ist, wieder nach Judäa zurückzukehren. Und Jesus deutet ein besonderes Zeichen an. Hier steigen wir in das heute gehörte Evangelium ein:
Jesus kommt nach Bethanien, wo die Geschwister wohnen. Lazarus sein Freund ist in der Zwischenzeit gestorben, Marta geht aus der Trauergemeinschaft Jesus vors Dorf entgegen und es entwickelt sich ein Dialog. Ihre erste Aussage hört sich wie ein Vorwurf an: „Wärst du hier gewesen, dann …“ und ich lese im weiteren eine Bitte/Aufforderung heraus: „Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben.“
Jesus verweist auf die Auferstehung und Marta bezeugt, dass sie daran glaubt. Und dann spricht Jesus eine unserer grundlegenden Glaubensthemen an: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Aus heutiger Sicht – in der Retrospektive -wissen wir wie es ausgeht – Jesus wird selber sterben und auferstehen. Und: Jesus wird davor den Lazarus, von dem es vor der Öffnung des Grabes heißt „Er riecht schon, er ist schon vier Tage tot“, ins Leben zurückholen – für ihn ist nichts unmöglich und viele kamen damals zum Glauben. Die Konsequenz aus der Erweckung des Lazarus ist, dass der Hohe Rat sich entschließt, Jesus zu töten (vgl. Johannes 11,53). Jesus von Nazareth hatte beeindruckend eine Türe aufgestoßen, die den religiös Mächtigen zu weit ging und ihnen gefährlich wurde.
Schließen will ich die Predigtgedanken mit drei Strophen eines mehrstrophigen Liedes, das ich in der Mittagspause eines langen Zivildiensttages mit 19 Jahren in Mundart geschrieben habe. Zum Hintergrund: meine ehemalige Klassenkollegin Ursula Harrant ist noch während meiner Zeit im Gymnasium plötzlich beim Turnen verstorben, die Basketballerin hatte eine Herzschwäche, wie uns berichtet wurde. Am Tag ihres Begräbnisses hatte ich es aufgrund einer Unaufmerksamkeit bei der morgendlichen Bekleidungswahl – ausgewaschene Jeans und Turnschuhe – nicht übers Herz gebracht, mit den Klassenkolleg*innen zum Friedhof zu gehen. Dieses verabsäumte Ritual hat mir das Abschied nehmen schwer gemacht und ich habe mir selber lange Vorwürfe gemacht, nicht am Begräbnis teilgenommen zu haben. Jahre später ist es mir mit diesen Zeilen dann plötzlich geglückt:
„Irgendwo da drauß´d bist du,
irgendwo, vielleicht ganz weit furt
kann ma net vorstön, wie´s da geht
und wie dir des weiße Gwandl steht.
Wie i gheart hab, was passiert ist,
ist aus meine Augen ka Träne kumma
aber trotzdem hab i´ g´spiat
wie weh des tuat, wann ma wen verliert.
- Zwischenspiel
Die Gedanken drahn si´ weida
jedes Lächeln, jeder Blick,
jede Geste is´ nu da,
i denk an di, Ursula“
Anknüpfend an meine eigene Erfahrung, ist mir wichtig geworden die Dinge benennen zu können, sie in Sprache zu Formen, das hilft mir beim Trauern.
Uns wünsche ich, dass wir uns im Leben immer wieder bewusst werden, dass wir endlich sind, dass der aktuelle Tag vielleicht der letzte ist, den wir noch erleben dürfen. Mögen wir unsere Tage in diesem Bewusstsein gestalten und passende Wege finden, uns von Sterbenden zu verabschieden, soweit uns das möglich ist und das Andenken an die Verstorbenen gut zu wahren.
Amen.
Predigt und Fotos: Christoph Burgstaller