Liebe Schwestern, liebe Brüder,
in den letzten Wochen häufen sich Erkältungen, grippale Infekte oder auch die echte Grippe. Vermehrt werden Menschen krank und sie suchen die Ursache dafür. In den sozialen Netzwerken wurde dafür schon eine Schuldige gefunden: die Maske. Zwei Jahre Maskentragen hätten unser Immunsystem geschwächt und jetzt holen wir vieles nach. Aus Sicht vieler Fachleute sind solche Schlüsse falsch. Ein entwickeltes Immunsystem verlernt nicht innerhalb von zwei Jahren, mit Viren und Bakterien umzugehen. Eher ein geschwächtes Immunsystem schafft es nicht, mit einigen Krankheitserregern umzugehen, wenn es wiederum dem verstärkten Kontakt mit vielen Menschen ausgesetzt wird.
In diesem Zusammenhang habe ich mich gefragt, ob es so etwas gibt, wie ein religiöses Immunsystem. Haben wir Menschen Abwehrmechanismen, die uns vor dem Verlust des Glaubens schützen? Gibt es Viren und Bakterien, die an der religiösen Haltung der Menschen knabbern? Gehört Corona auch dazu? Die letzten zweieinhalb Jahre sind auch am kirchlichen Leben nicht spurlos vorbeigegangen. Man merkt, dass der Rückzug in die eigenen vier Wände auch Veränderungen in der Ausübung der religiösen Gewohnheiten geschaffen hat, die von einigen bis heute nicht abgelegt wurden. Haben die Menschen entdeckt, dass sie die Gottesdienste in der Gemeinschaft und die Pfarrgemeinde nicht wirklich brauchen? Ich möchte damit auf keinen Fall die älteren und wirklich kranken Personen verunsichern – im Gegenteil, ich möchte ihnen sagen, dass sie selbstverständlich daheim beten und den Radio- oder Fernsehgottesdienst mitfeiern sollten. Aber ich glaube trotzdem, dass das religiöse Immunsystem einiger Menschen geschwächt wurde, weil ich nicht annehme, dass viele zu Einsiedlern wurden, um in der Stille ihrer privaten Hauskapellen Gott anzubeten.
Wenn es so passiert ist, dass bei einigen das religiöse Immunsystem in den letzten Jahren total geschwächt wurde, dann ist das Weihnachtsfest eine Infusion dagegen. Denn zu Weihnachten bekommen alle, die es wollen, eine geballte Portion der Zuwendung Gottes. Wir feiern, dass Gott aus seiner Komfortzone herauskommt und sich unter die Menschen mischt. Gott verlässt seinen perfekten Himmel, um in unserer „unperfekten“ Welt zu leben. Gott verlässt das Reich der ewigen Liebe und des ewigen Friedens, um den Hass, den Neid, die Gewalt, die Ausgrenzung am eigenen Leib zu erfahren und dadurch mit uns solidarisch zu sein.
Seit der Geburt Jesu ist Gott nicht mehr der Ferne, der Unerreichbare, sondern ein Gott der Gemeinschaft, ein Gott mit uns und ein Gott für Dich. Weihnachten ist eine Vitaminspritze für die Menschen, die sich auf diesen Gott und auf seine Botschaft einlassen. Denn seine Botschaft ist immer dieselbe: eine Botschaft der Liebe und des Friedens, ganz konkret für Dich, ganz konkret für Dein Leben. Gott macht einen Schritt in unsere Richtung, um alle, die ihm entgegen gehen, mit seinem Heil zu beschenken und dadurch im Glauben zu stärken. Weihnachten ist kein Fest des Brauchtums, sondern ein Fest der Begegnung mit Gott, der möchte, dass Dein Leben gelingt, ein Fest der Freundschaft mit Gott, der nicht über uns stehen, sondern mit uns in unserem Alltag leben will, der uns nicht von der Ferne Gesetze und Gebote mitteilt, sondern uns durch sein Mitleben auf dem Weg zum Heil führt.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
das Immunsystem braucht Pflege, um den Körper vor Krankheiten zu schützen; Bewegung, Vitamine, ausreichend Schlaf, sind nur einige bekannte Mittel dafür.
Auch das religiöse Immunsystem braucht Pflege, um im Glauben gefestigt zu werden und nicht den irdischen Versuchungen und Sorgen zu verfallen. Weihnachten ist ein Weg zum geglückten Leben. Das Fest sagt uns: such das Glück dort, wo Menschen einander lieben und für einander da sind und sei selbst ein Mensch der Liebe. Such das Glück dort, wo Menschen sich für die Gerechtigkeit und für den Frieden einsetzen und sei selbst ein Mensch der Gerechtigkeit und des Friedens. Such das Glück dort, wo Menschen für Beziehungen und nicht für Besitz leben und sei selbst ein Mensch der Beziehungen. Such das Glück dort, wo Menschen nicht auf Kosten anderer, sondern mit anderen leben und sei selbst ein Mensch der Gemeinschaft.
Ich wünsche uns allen, dass dieses Weihnachtsfest unser Glaubensimmunsystem stärkt. Ich wünsche uns, dass wir die Botschaft von der echten Gemeinschaft und der echten Freundschaft mit Gott in uns aufnehmen. Ich wünsche uns, dass uns Weihnachten neu belebt und uns zu Menschen für Gott und für einander macht.
Slawomir Dadas Pfarrer