Wenn ich zu euch schaue, sehe ich viele Ehepaare. Könnt ihr euch noch an eure Hochzeit erinnern? Für manche war es eine Sternstunde des Lebens, ein besonders Fest. Aber das gute Wort, das ihr euch zugesprochen habt, ich liebe dich in guten wie in schlechten Zeiten, ich bleibe bei dir, das wurde erst im Laufe der Jahre Wirklichkeit. In den Zärtlichkeiten und in den alltäglichen guten Worten und Taten, im Zuhören und im Gespräch, im Verzeihen und Neubeginnen nach einem Streit oder nach schwierigen Zeiten, im Aushalten der Schwächen und Fehler oder im heilvollen Dasein füreinander. Das Wort der Liebe wurde und ist lebendig unter euch, vielleicht mal mehr, mal weniger und ich traue mich zu sagen: Gott ist lebendig in euch und durch euch.
Viele erzählen, die Geburt ihres Kindes, der Kinder waren Sternstunden des Lebens. Bei mir war es auch so. Es waren ganz besondere Momente meines Lebens, ja, ich möchte fast sagen, heilige Zeiten, das Geschenk des Lebens meiner Kinder. Aber das Ja, das wir unseren Kindern zugesprochen haben, ja, es ist gut, dass du da bist, ja, ich liebe dich wie du bist, auch dieses besondere Wort muss immer wieder erst Wirklichkeit werden. Ein Kind in seinem Leben begleiten zu dürfen ist ein Geschenk, aber es ist auch oft schwierig. Wir alle kennen Überforderungen: Kinder, Beruf, Alltagsarbeiten, Beziehungen zu leben, unsere Kinder. Wir stoßen an Grenzen, erleben aneinander Unverständnis und Probleme, aber auch Erfüllung, Glück, Freude. In unserer Kommunikation und in unserem Handeln dieses Versprechen der Liebe, des gegenseitigen Annehmens zu leben, bedeutet auch – Göttliches kommt in die Welt. Bruchstückhaft, weil wir alle unvollkommene Menschen sind und doch wirklich. In mir, in dir, in den Kindern ist Gott da, immer schon da, und alle können es wahrnehmen, wenn wir einander leben helfen, einander lieben, trösten, verzeihen, annehmen.
Die Hochzeit, die Geburt der Kinder sind Anfänge und wie Hermann Hesse sagt: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Wir kennen große und kleine Anfänge. Der Friedensvertrag nach dem Krieg, der Staatsvertrag. Anfang von Friede, Freiheit und Demokratie. Es liegt an uns, an dem wie wir täglich leben, dass gut Begonnenes bleibt und sich zum Guten weiterentwickelt. Wir alle kennen auch die persönlichen Anfänge, die Sehnsüchte, dass etwas Gutes im Leben Wirklichkeit wird.
Der Evangelist Johannes erzählt uns heute von einem besonderen, von einem allumfassenden Anfang, von einer Sternstunde der Weltgeschichte.
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott.
Im Anfang war Christus und Christus war bei Gott, und Christus war Gott. Im Anfang war er bei Gott.
Jesus Christus ist das lebendig gewordene Wort Gottes. Das ist die Weihnachtsgeschichte des Johannes.
Und das Wort ist Fleisch geworden, ist Mensch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen. Das Wort der unendlichen Liebe Gottes ist Wirklichkeit geworden, durch Jesus. In Jesus zeigt sich Gott. Die Menschen konnten diese Liebe erfahren, sie sahen sie im Umgang Jesu mit den Menschen, sie spürten sie in den heilsamen Berührungen Jesu, wenn er Kranke heilte, wenn er sich Ausgegrenzten zuwendete, wenn er traurige tröstete, wenn er fehlerhaften Menschen Verzeihung und einen Neuanfang schenkte, wenn er von der Liebe und Zuwendung Gottes erzählte.
Das Wort, die Zusage Gottes an jede und jeden von uns: “Du bist geliebt, du bist wertvoll“. Das Wort Gottes an mich: „Ich nehme dich an wie du bist“, wurde in und durch Jesus Wirklichkeit.
Heute feiern wir mitsammen diese Sternstunde, die Geburt Jesu, der uns durch sein Leben und Sterben Gottes Liebe zeigt. Das gemeinsame Feiern soll uns alle ermutigen, daran zu glauben, dass Gott in jedem von uns da ist, in mir und im Menschen neben mir, es soll uns ermutigen so zu leben, dass Friede, Gerechtigkeit und Liebe durch unser Reden und Handeln immer mehr Wirklichkeit werden. Vielleicht auch bruchstückhaft, unvollkommen und doch wirklich. Dieses Fest soll uns ermutigen, das was Jesus uns vorgelebt hat, weiterzuleben. Wir wissen alle, wie gut das für die Welt wäre. Amen.
Gabi Niederschick
Fotos: Andrzej Gorgol