Eine eigenartige Situation: da ist dieser Prediger Johannes, der wegen seiner Lehre weithin bekannt, berühmt und angesehen ist. Er ist ein harter, schroffer Typ, ein Asket. In seinen Reden beschimpft er seine Zuhörer und verspricht ihnen ziemlich grob die ewige Verdammnis, wenn sie nicht endlich die letzte Chance ergreifen und ihr Leben neu orientieren und umkehren. Trotzdem laufen ihm die Leute in Scharen nach und viele lassen sich von ihm überzeugen.
Unter der Menge ist ein noch unbekannter junger Mann namens Jesus. Auch er ist interessierter Zuhörer. Als Johannes Jesus erblickt, stellt er ihn vor allen Umstehenden als Messias vor. Er selber wäre nur deshalb gekommen, um ihn, eben diesen Jesus mit Israel bekanntzumachen.
Das ist eine Vorgangsweise, die unserem gewohnten Denkschema nicht entspricht. Ob im Wirtschaftsleben oder in der Politik, ob sonst wo, wo Erfolg, wo Hierarchien, Über- und Unterordnung eine Rolle spielen: wir kennen das ganz anders. Wenn in unserer Gesellschaft jemand auftaucht, der in irgendeiner Weise besser, erfolgreicher sein könnte, der wird zuerst einmal als Konkurrent, als Gegner gesehen und als solcher bekämpft.
Johannes tut das nicht. Er spürt den Geist Gottes in Jesus, er vertraut auf diesen Geist und sieht jetzt seine Aufgabe darin, den Christus zum Vorschein kommen zu lassen.
Wir wissen von Jesus, und wir glauben daran und vertrauen darauf, dass sein Geist in uns und in jedem unserer Mitmenschen ist.
Darum ist dieses ‘den anderen bekanntmachen’, ‘den anderen herausstellen’, den anderen zum Vorschein kommen lassen auch unsere Aufgabe, ja eine notwendige Aufgabe der christlichen Gemeinschaft.
Glaube ist nicht nur Überlieferung, nicht nur Annehmen einer bestimmten Menge von Glaubenswahrheiten und Dogmen, nicht nur Nachvollzug von Entscheidungen kirchlicher Oberhirten. Die Akten des Glaubens sind nicht geschlossen und abgelegt. Der Glaube steht nicht wie ein zu Ende geschriebenes Buch verstaubt in irgendeinem Archiv.
Glaube ist nicht fertig. Glaube ist etwas Lebendiges. Er lebt auch von meinem eigenen Urteil, von meiner eigenen Entscheidung. Er lebt vom Zeugnis, das mir andere geben und er lebt vom Zeugnis, das ich anderen gebe.
Und so muss unsere christliche Gemeinde eine Gemeinschaft sein, in der jeder seinen Glauben aussprechen kann, eine Gemeinschaft, die einander zuhören kann, eine Gemeinschaft, die bereit ist, voneinander auch Glauben zu lernen.
Wir müssen eine Gemeinschaft sein, die Christus der Welt bekannt macht.
Wer sollte es sonst tun.
Rudi Bittmann, Diakon