Nächste Woche habe ich einen Termin, den ich bisher weitgehend verdrängt habe, weil er mir Unbehagen verursacht. Aber jetzt geht das nicht mehr, in ein paar Tagen muss ich da durch. Sie werden mich verstehen, es geht um einen Zahnarzttermin.
Nein, mein Zahnarzt hat mir noch nie etwas getan, er ist ein durchaus netter Mensch. Trotzdem ist diese Kombination Zahnarzt mit unangenehm und etwas angstbesetzt in mein Gehirn wie eingebrannt.
Aber was erzähle ich ihnen das, es geht ja den meisten Menschen so.
Eigenartig: beim Lesen der eben gehörten Episode aus dem Evangelium ist mir die Zahnarztproblematik in den Sinn gekommen. Ist mein Verhältnis zu Gott auch angstbesetzt?
Wie kommt es, dass Jesus die Einladung zu seiner Nachfolge damit bewirbt, dass sein Joch leicht wäre? Tatsächlich hatten die religiösen Führer der damaligen Zeit eine Unmenge von Geboten und vor allem Verboten erfunden und vorgeschrieben, um ein vermeintlich gottgefälliges Leben der Menschen sicherzustellen. Wer sich nicht daran hielt oder nicht daran halten konnte, der war eben ein ausgestoßener, ein Sünder der von den anderen gemieden wurde. So wurde Religion tatsächlich zum Joch, zu einer Last, die für viele nicht zu tragen, nicht zu ertragen war. Die angeblichen Hilfen zum Heil wurden zur Bedrohung.
Die frühen christlichen Autoritäten standen im peniblen Ausfalten der 10 Gebote in eine Unzahl von Vorschriften in nichts nach. Waren die religiösen Lehrer der Juden Meister im Erfinden von verpflichtenden Regeln, dann waren die Christen Meisterschüler. 2000 Jahre hindurch wurde gefeilt an der Definition und am Wesen der Sünde und am Ausmalen der jeweiligen Strafe, die Gott angeblich dafür vorgesehen hat.
Ich selbst habe es in meiner Kindheit und Jugend noch so eingetrichtert bekommen.
Dieses Trauma verursachende „Gott sieht alles und hört alles, bis hinein in dein Denken und mit jeder noch so kleinen Sünde beleidigst du Gott“. Dazu akribisch genaue Überlegungen wie die Strafen konkret aussehen, von ewigen Höllenstrafen über zeitliche Strafen im Fegefeuer – hier konnte man sich allerdings gegen einen entsprechenden Obolus ganz oder teilweise loskaufen bis zu einer nebulosen Vorhölle für ungetaufte Kinder, die erst vor gerade mal 16 Jahren Papst Benedikt XVI offiziell abgeschafft hat. Auch der aktuelle Katechismus widmet der Sünde immer noch wesentlich mehr Raum als etwa der Liebe Gottes, und wenn von der die Rede ist, dann steht da immer ein großes ABER zwischen den Zeilen.
Aber das ist nicht die Botschaft Jesu. Jesus hat das Joch, das die Religion seiner Zeit oft bedeutete, von den Schultern der Menschen nehmen wollen. Viel Erfolg hat er damit nicht gehabt und hat er auch bei uns nicht. Die Menschen machen sich, was Religion betrifft, zu allen Zeiten das Leben selbst schwer, bilden sich ein dass Gott unendlich viel von ihnen verlangt und haben deshalb immer neue Gebote und Vorschriften erfunden – bis heute. Jesus will das nicht.
„Nehmt mein Joch auf euch, denn mein Joch drückt nicht, meine Last ist leicht“ sagt er deshalb auch zu uns. An diesem Gott ist nichts Furchterregendes. Er verlangt nichts von euch, außer, dass ihr so lebt, dass es euch gut geht und dass es auch allen anderen gut gehen kann.
Gott ist kein lieber Gott, Gott ist die Liebe schlechthin, er bringt bedingungslose Liebe jedem seiner Kinder entgegen, und seine Kinder, das sind wir – so sagt Jesus.
Ist es wirklich so schwer, das zu glauben?
Rudi Bittmann Diakon