Wie stellen Sie sich den Teufel vor? Ist das einer mit Stierhörnern und Pferdefuß, einem spitzen Schwanz und von Flammen umgeben? Ist es der, der in der Hölle wohnt, der, bei dem ich nach dem Tod lande, wenn ich nicht in den Himmel komme? So habe ich mir das als Kind vorgestellt und mich ordentlich dabei gefürchtet.
Denken wir an Goethes Faust: Faust verkauft seine Seele an Mephisto. Und so ist der Weg zu Gott in alle Ewigkeit versperrt.
Himmel oder Hölle, Gott oder Teufel. Das scheinen gleich starke Mächte zu sein. Der Teufel als eigenständige Figur, die nichts mit mir zu tun hat, die mich von Gott wegführen will.
Aber andererseits glauben wir an den einen Gott, der alles, was ist, geschaffen hat und der es gut mit uns meint. Für mich ist es undenkbar, dass dieser, mich liebende Gott, den Teufel geschaffen hat, um mich von ihm wegzuführen. Denn dann meint er es wohl doch gar nicht so gut mit mir.
Denken wir zurück an das Evangelium. Lukas verwendet bei seiner Schilderung nicht das hebräische Wort Satanas, das so viel wie Widersacher bedeuten würde. Bei Lukas steht das griechische Wort Diábolos. Und das ist der, der die gute Ordnung durcheinanderwirft, verwirrt und in Unordnung bringt. Dieser Verwirrer setzt bei menschlichen Grundbedürfnissen an. Beim Hunger, den Jesus nach 40 Tagen fasten unweigerlich haben muss. Beim Streben nach Macht. Das Sagen haben zu wollen, diesen Wunsch kennen wir wohl alle. Und schließlich beim Bedürfnis, einen Beweis für Gottes Liebe und seinen Schutz haben zu wollen.
Diese Bedürfnisse kommen mir nur allzu bekannt vor. Sie haben sehr viel mit meinem Leben, mit meinen Sehnsüchten und Ängsten zu tun. Dieser Diábolos hat also schon etwas mit meinem Leben zu tun.
In der Kinderbibel, die von Werner Laubi und Annegret Fuchshuber gestaltet wurde, findet sich dieses Bild: Jesus in der Wüste und hinter ihm steht Diabolos, der Durcheinanderbringer. Er sieht aus wie Jesus, er steht knapp hinter ihm, scheint ein Teil von ihm zu sein.
Der Diabolos steckt in uns drin, er ist ein Teil von uns – als eine Kraft, eine Phantasie, eine Sehnsucht, ein Hunger nach Leben, um vielleicht jeden Preis. Und er steckt in den Beziehungen, in denen wir leben: wenn wir unseren Vorteil suchen, auf Kosten anderer.
Als menschgewordener Gott ist Jesus diesen Verführungen nicht erlegen. Aber er hat sie kennengelernt. Genauso, wie wir sie immer wieder kennenlernen.
Aber wer oder was ist dieser Diabolos? Ich denke, das, was uns verwirrt, was und durcheinanderbringt, das ist unser freier Wille. Und den haben wir tatsächlich von Gott geschenkt bekommen. Wir sind nicht seine Marionetten. Wir haben die Freiheit, uns für unseren Weg immer wieder selbst zu entscheiden. Wir sind für unser eigenes Denken, Reden und Handeln selbst verantwortlich.
Wir haben die Fastenzeit heuer unter den Titel „aufbrechen“ gestellt.
Lassen Sie uns gemeinsam aufbrechen in ein Leben, in dem wir uns bewusst für Mitmenschlichkeit, Respekt und Offenheit entscheiden. Sehen wir doch in unseren Mitmenschen Schwestern und Brüder, die genauso von Gott geliebt sind, wie wir. Egal woher sie kommen, was sie glauben, wie sie aussehen oder wen sie lieben.
Brechen wir auf, in ein rücksichtsvolles Leben.
Ursula Hois