„Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war.“ (Lk 15, 4-6)
24. Sonntag im Jk.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
stellen Sie sich vor, Sie sind eine Milliardärin oder ein Milliardär und haben ca. sechs Milliarden Euro am Konto. An einem schönen Sommertag gehen Sie mit Ihren Leibwächtern an einem Seestrand spazieren und bleiben bei einer Eisdiele stehen. Sie ziehen Ihre Geldtasche heraus, wollen 3.40 Euro für das Eis zahlen, aber durch Ihre Unaufmerksamkeit fällt ein Euro in den Sand hinunter und wird durch vorbei laufende Kinder irgendwie hinein getrampelt. Was machen Sie in einer solchen Situation. Graben Sie herum, um den Euro zu finden? Lassen Sie ihn von Ihren Wächtern suchen, oder nehmen Sie einen weiteren aus Ihrer Geldtasche mit der großzügigen Überzeugung: den brauche ich nicht, ein Bedürftiger soll ihn einmal finden. Ganz egal, was Sie in der Situation tun: von außen betrachtet wird nichts so richtig gut ausschauen. Denn wenn Sie oder Ihr Leibwächter sich auf die Suche machen, werden Sie als geizig bezeichnet werden und wenn Sie es nicht tun als hochnäsig und verschwenderisch.
Versuchen wir jetzt aber diese Situation auf Gott und auf die Welt zu übertragen: Gott ist ein Milliardär und ihm gehören alleine jetzt sechs Milliarden Menschen. Immer wieder rutscht eine oder einer aus seiner Hand aus, geht sozusagen verloren. Wie soll sich Gott dabei verhalten? Soll er sich selbst bücken und suchen? Soll er ihn oder sie liegen oder doch suchen lassen?
In den heutigen Lesungen haben wir zwei Bilder mit sehr unterschiedlichen Reaktionen Gottes. Zuerst sehen wir Gott in der vorchristlichen Zeit als einen zornigen, der sich über das Verlorene ärgert und es bestraffen möchte. Er braucht einen Menschen – Mose –, der ihn besänftigt, damit die Katastrophe abgewandt wird.
Dann sehen wir Jesus und hören eine Erzählung von einem Gott, den wir als einen suchenden Gott bezeichnen können. Er ärgert sich nicht über das Verlorene, sondern geht ihm nach. Er braucht niemand, der ihn zur Suche motiviert und niemand, der ihm hilft, seinen Ärger human aussehen zu lassen. Er schimpft weder über das noch mit dem Verlorenen, sondern ist ein geduldiger Suchender, der sich am Ende über den Fund freut.
Mit diesem Gottesbild wurden wir von Jesus beschenkt trotz der Unzufriedenheit der Rechtsgläubigen, die Menschen abgestempelt und vielen das Heils abgesprochen haben. Dieses Bild hat das Wirken Jesu geprägt und darin leuchtete die neue religiöse Ära auf, in der nicht die Erfüllung des Gesetzes und nicht Auge um Auge und Zahn um Zahn, sondern die Liebe zum obersten Gebot erhoben wurde. In diesem Geist zu handeln, bedeutet allen – den scheinbar Entfernten und den scheinbar Nahestehenden – den liebenden und besorgten Gott vorzuleben. Es bedeutet, die Gewissheit zu haben, dass unser Gott das Heil aller Menschen, also auch mein Heil, möchte, dass er niemand am Boden liegen lässt, sondern darauf bedacht ist, dass jeder sich in seiner tragenden und schützenden Hand befindet.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Gott ist ein Milliardär, dem es nicht um sich selbst, sondern um das Wohl jeder und jedes einzelnen geht. Gott ist ein bodenständiger Milliardär, der den Bezug zum Leben mit all seinen Fassetten und Schwierigkeiten nicht verloren hat. Aber vor allem ist er ein Gott des Heils, der sucht was ihm verloren geht, der sich freut, wenn das Leben mit ihm gewählt wird. Ich wünsche uns allen, dass diese Frohe Botschaft uns stärkt und unser Leben prägt. Ich wünsche uns, dass es uns gelingt, den Menschen vorzuleben, dass wir an einen liebenden Gott glauben, der die scheinbar Frommen und die scheinbar Sündigen als eigene Kinder betrachtet und alle in seinem Reich beschenken möchte.
Slawomir Dadas
Pfarrer