„… wir wollen euch über die Verstorbenen nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Wenn Jesus – und das ist unser Glaube – gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen. Tröstet also einander mit diesen Worten!“ (Thess 4, 13-14.18)
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
vor einer guten Woche war ich bei einer Geburtstagsfeier, bei der eine junge Frau den Gästen mit Stolz einen Ring zeigte, den sie von ihrer verstorbenen Oma bekam. Der Ring bedeutet ihr sehr viel, denn er ist eine Brücke in ihre gemeinsame Geschichte. Sie könnte Stunden erzählen von der Zeit, die sie bei der Oma verbrachte, von den Speisen, die nur die Oma so gut zubereiten konnte, von Zeiten, die sie miteinander teilten.Wir können diese junge Frau gut verstehen, denn die meisten von uns haben verschiedene Erinnerungsstücke von Menschen, die von uns gegangen sind:ein Bild, ein Möbelstück, ein Tischtuch, ein wenig Schmuck, ein paar alte Kristallgläser oder Kaffetassen. All diese Dinge haben einen ideellenWert und helfen uns, unsere Lieben in Erinnerung zu behalten.
Für uns Christen sind die Brücken in die gemeinsame Geschichte sehr wichtig. Wir verdrängen den Tod nicht. Wir begegnen ihm mit dem Glauben, dass nicht im Vergessen, nicht im Weglaufen, und nicht im Ablenken, sondern im Hoffen und Vertrauen auf ein Wiedersehen die Antwort auf den Tod liegt. Die Erinnerungsstücke machen uns die Vergänglichkeit bewusst, aber gleichzeitig halten sie die Dankbarkeit und die Liebe lebendig, die uns mit Menschen über den Tod hinaus verbinden.
Der Tod wirft aber auch die Frage nach der Brücke in die ewige Zukunft auf. Was muss ich tun, um einst im Tod nicht unterzugehen, um in die Gemeinschaft der Heiligen aufgenommen zu werden? Die Antwort Jesu ist eindeutig: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.“ (Joh 11, 25-26) Die Brücke in die ewige Zukunft ist der Glaube an Jesus, also an die Liebe Gottes. Denn in ihm ist die Liebe Gottes zu uns Menschen sichtbar und greifbar geworden; Liebe, die sich als großzügig und barmherzig erwiesen hat, Liebe, die dem Verlorenen nachgegangen ist, Liebe, die alle Menschen bei Gott vollenden möchte. Gerade jetzt im Gebet, in der Feier der Messe, aber auch am Grab oder Zuhause, wenn wir eine Kerze anzünden und unsere Verstorbenen Gott anvertrauen, geben wir das Zeugnis unseres Glaubens an diese Liebe. Sie schafft Brücken zwischen den Menschen undder Welt, die mit menschlichen Kräften unüberbrückbar sind. Sie hält die Beziehungen aufrecht, die menschlich gesehen nicht mehr zu halten sind.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
der Tod ist nur für jemand eine Bedrohung, der nicht an die Brücke der Liebe und der Dankbarkeit glaubt. Für uns Christen ist er ein Zeichen der Vergänglichkeit, die nur in Gott Vollendung finden kann. Ich wünsche uns allen, dass die Erinnerungsstücke an unsere Verstorbenen uns nicht nur in die Geschichte versetzen, sondern unseren Blick auch nach Vorne richten. Ich wünsche uns, dass der Tod unseren Glauben an die Liebe Gottes zu uns stärkt und uns hilft, das eigene Leben auf diese Liebe auszurichten.
Slawomir Dadas
Pfarrer