Berufung zwischen Ablehnung und Fanatismus

„Alpredigt2s Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihr Netz auswarfen; sie waren nämlich Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm. Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her. Sofort rief er sie und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.“ (Mk 1,16-20)

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

wurden Sie schon einmal im Leben zu irgendetwas berufen? Einige von Ihnen vielleicht zum Militär, die anderen nach einem Berufungsverfahren auf eine Position, um die Sie sich beworben haben. Das Wort Berufung begegnet uns besonders im Bereich der Wirtschaft oder des Staatsdienstes – wo es um eine Neubesetzung und natürlich auch in der Religion, wo es um die Erwählung des Menschen geht. Genau die heutigen Lesungen erzählen einige Berufungsgeschichten und darum möchte ich Sie einladen, mit mir über das Thema „Berufung zwischen Ablehnung und Fanatismus“ nachzudenken. Denn bei der Berufung ist es so, dass sie angenommen oder abgelehnt werden kann; sie kann normal oder fanatisch ausgeführt werden.

Ich kann mir vorstellen, dass Sie die Begriffe „Berufung und Erwählung“ nicht automatisch für sich selbst verwenden. Oder haben Sie bereits in ihrem Leben einmal auf die Frage: Warum bist Du katholisch? geantwortet: Weil ich dazu berufen und erwählt wurde? Die meisten Eltern, die ihre Kinder zur Taufe bringen, glauben ganz ernsthaft, dass ihr Kind ein Besonderes auch vor Gott ist. In der Tauffeier wird diese Besonderheit durch die Salbung zum Ausdruck gebracht, weil früher nur Königinnen, Könige und Propheten gesalbt wurden. Diese Erwählung wird auch durch den Begriff Gotteskindschaft unterstrichen, weil wir – jede und jeder Getaufte – zu Kindern Gottes wurden und niemand und nichts uns diese Würde nehmen kann. Aber diese Erwählung, diese ohne Vorleistung geschenkte Würde ist auch mit einer Aufgabe verbunden, die als Berufung bezeichnet werden kann. Die Aufgabe, mit der wir betraut wurden, ist: Das eigene Leben aktiv nach den Gesetzen des Evangeliums zu gestalten und die Menschen aktiv in der Beziehung zu Gott zu stäken oder sie dazu zu führen. Auf die Frage, ob wir unserer Erwählung gerecht werden, muss schon jede und jeder für sich eine Gewissenserforschung machen. Einige Fragen dabei wären: Bin ich stolz auf mein christliches Leben? Kümmere ich mich darum, vertiefe ich es? Bin ich den mir Anvertrauten, den anderen eine Hilfe auf dem Weg zu Gott, stärke ich sie in der Suche nach ihm, oder gibt es derzeit eine Pause in meiner Berufungsgeschichte? Die christliche Berufung zu leben braucht in unserer Zeit manchmal Mut und Kraft, denn sie bedeutet immer wieder auch gegen die Trends zu leben, sie bedeutet, dem Konsum nicht zu verfallen, dem Egoismus eine Absage zu erteilen und auch die Nöte der Nachbarn zu sehen; sie bedeutet hier und dort die Stimme zu erheben, gegen die ungerechten Strukturen und die ungerechte Verteilung der Güter in der Gesellschaft, so dass Reiche immer reicher werden und viele Menschen bei uns mit ihren Einkommen gerade so auskommen können. Die christliche Berufung heißt aktiv zu sein, aktiv, um selbst am Heil Gottes schon hier und jetzt teilzunehmen und aktiv zu sein, damit möglichst viele Menschen den Weg des Heiles gehen können.

Aktiv – aber nicht fanatisch. Denn Fanatismus ist mit unserem christlichen Glauben nicht zu vereinbaren. Leider gibt es aber genug Menschen, die die Berufung mit dem Fanatismus verwechseln. Es gibt Menschen, die meinen, andere mit Angstmacherei – oder im Extremfall mit Gewalt – auf die „richtige Spur“ bringen zu müssen. Solche Menschen können weder die Freiheit des anderen noch die Vielfalt der Zugänge zu Gott aushalten. Sie meinen, nur sie hätten den richtigen Weg zu Gott erkannt und die anderen müssten ihn gehen. Jesus Christus ist aber kein Fanatiker. Er will uns als freie Menschen, die auf die Liebe Gottes mit ihrem Leben antworten.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

um die Berufung Gottes kann man sich nicht bewerben. Gott wählt aus, ohne zu fragen. Natürlich, er zwingt nicht, die Berufung anzunehmen, sondern er hofft darauf, weil damit das Heil und der Segen für den Berufenen selbst und für viele Menschen verbunden sind. Gott freut sich, wenn jemand die Botschaft von seiner barmherzigen Liebe lebt und mit ihr andere ansteckt. Er freut sich, wenn Menschen ihr Leben nach ihm ausrichten, sich ihm zuwenden und dadurch seine besondere Begleitung und sein Heil erfahren können.

Gott will aber keine Fanatiker. Er will keine Moralapostel, die behaupten, im Besitz der Wahrheit zu sein, oder solche die andere unter Druck setzen und ihnen ihren Glauben absprechen. Gott will keine Fanatiker, die zur Gewalt bereit sind und die im Namen des Glaubens die anderen beherrschen.

Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, auf den Ruf Gottes mit unserem verantwortungsvollen Leben zu antworten. Ich wünsche uns, dass wir uns berufen und verantwortlich fühlen für das eigene Heil und das Heil der Menschen, die uns immer wieder begegnen oder die uns anvertraut sind.

Slawomir Dadas
Pfarrer