„In jener Zeit rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“ Mk 10,42-45
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
wie reagieren Sie auf jemand, der sich in Ihre privaten Dinge einmischt? Sehr schnell kommt aus der Kehle der Schrei: „Misch dich nicht ein, das geht dich nichts an!“ Vielleicht haben Sie von Ihren Kindern diese Sätze öfters gehört. Denn gerade in der Zeit der Selbstfindung eines Menschen geht es um die Spannung zwischen dem, was jemand ganz alleine bewältigen muss und dem, wo jemand sich eine Hilfe holt. Reife Persönlichkeiten können diese Bereiche gut von einander unterscheiden. Es bleibt trotzdem immer eine Gradwanderung zwischen der gut gemeinten Hilfe und dem ungewollten Einmischen. Die Privatsphäre will und soll geschützt werden; auf der anderen Seite gehört es zu den Geboten der Menschlichkeit, dort einzugreifen, wo ein Unheil passiert. Denn Zuschauen oder Wegschauen, wo jemand zu Grunde gerichtet wird oder sich selbst zu Grunde richtet, ist nicht nur feige, sondern auch unchristlich und unmenschlich.
Wir Christen müssen uns einmischen: gegen Gewalt, Ausbeutung und Armut und für Gerechtigkeit, Toleranz und Frieden, weil unser Gott sich in das Leben der Menschen einmischt. Auch wenn ihm manchmal vorgeworfen wird, dass er nur zuschaut, wenn Kinder hungern, Frauen vergewaltigt und Männer zu Kampfmaschinen ausgebildet werden, er mischt sich ein. Er mischt sich anders ein als die Mächtigen dieser Welt; die darüber verhandeln, wie viel sie dafür bekommen, wenn sie einigen Flüchtlingen ein paar Zelte und Hallen zur Verfügung stellen. Er mischt sich anders ein als Wirtschaftskonzerne, die nur dann in die Infrastruktur eines Landes investieren, wenn sie billige Arbeitskräfte erwarten und einen vielfachen Gewinn auch auf Kosten der Gesundheit der Menschen.
Gott mischt sich ein und seine Art der Einmischung haben wir durch Jesus kennengelernt. Sie ist anders als die der Machthaber der Welt. Er verhandelt nicht, er schreit nicht, sondern er stellt sich auf die Seite der Armen und der Ausgebeuteten und wird selber einer von ihnen. Gott verwendet keine Gewalt, um seine Ziele zu erreichen. Er schlägt nicht zurück, wenn er geschlagen wird, weil er dafür steht, dass man den Frieden, die Gerechtigkeit und die Toleranz nicht mit Gewalt erreichen kann. Gott mischt sich in das menschliche Leben dadurch ein, dass er die Stimme für die Armen erhebt, dass er zu ihnen geht und sie sein Mitgefühl spüren lässt und vor allem dadurch, dass er beim Teufelskreis von Ungerechtigkeit und Ausbeutung nicht mittut, sondern ihn durchbricht und ihm mit der Liebe, mit der Vergebung und mit dem Frieden begegnet.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
für uns, die wir Christus nachfolgen heißt es, dass wir keine Zuschauer und keine Beobachter, sondern Gestalter des Lebens sind. Wir sind dazu verpflichtet, uns einzumischen, wo Systeme unmenschlich sind, wo Menschen am Rand der Gesellschaft stehen oder dorthin gedrängt werden. Die Nachfolge Christi bedeutet, denen mit Liebe zur Seite zu stehen, die mit Hass konfrontiert werden. Es heißt, die nicht allein zu lassen, die ständig gegen die Wand der Ablehnung stoßen. Es heißt, die aufzurichten, die von der Hoffnungslosigkeit befallen sind.Sich einzumischen wie Gott – ohne Hintergedanken. Sich einmischen, um die Welt heiler zu machen, um den Menschen den Weg aus der Versklavung und der Ausbeutung aufzuzeigen.
Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, als Christen in der Nachfolge Jesu zu leben; die nicht zuschauen und nicht schweigen, sondern sich einmischen, wo die Würde des Menschen verletzt und wo Frieden und Gerechtigkeit bedroht werden.
Slawomir Dadas, Pfarrer