„In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen, und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geborgen; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.“ Lk 8-14
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
als Kind habe ich einmal Weihnachten bei den Großeltern am Bauernhof verbracht. Neben den üblichen Bräuchen, dem üppigen Essen und nicht unbedingt zufriedenstellenden Geschenken gab es für mich auch etwas Neues: Heu und Stroh unter der Tischdecke, um den Stallgeruch nachzuempfinden und die Erzählung davon, dass zur Mitternacht die Tiere mit einem sprechen würden. Ich wollte es aber nicht überprüfen, weil es geheißen hat – sie werden dich fragen, was Du für ein Vieh bist, dass Du um diese Zeit statt in der Mette im Stall bist. So habe ich es gelassen und bin mit der Familie in die Kirche gegangen, ohne jemals – auch im Nachhinein nicht – geprüft zu haben, ob diese Geschichte stimmt oder nicht.
Weil die heilige Nacht aber so magisch ist, und viele Menschen verzaubern kann, denke ich manchmal darüber nach, wie es wäre, wenn z.B. der Christbaum reden könnte. Welche Geschichten, von der Vorbereitung und von der Feier des Abends würde er erzählen? Ich habe mir Mühe gegeben und versuchte, mich in ihn hinein zu versetzen und so möchte ich Ihnen seine Gedanken weitergeben.
Der Christbaum würde heuer wahrscheinlich sagen, dass er sich ärgert, wenn man aus Weihnachten ein Designerfest macht. Er wäre nicht glücklich mit der diesjährigen Modefarbe des Weihnachtsschmucks: Prinzessinnen-Rosa, weil er sich nicht als Modeerscheinung betrachtet, sondern seine grünen Zweige sollen ein Zeichen der Lebenskraft in einer totaussehenden Natur sein. Denn er steht nicht für sich selbst, sondern für den lebendigen Gott, der durch Jesus der Welt ein neues Leben verheißt.
Der Weihnachtsbaum würde sich sicher wundern, dass so viele Menschen den Heiligen Abend umzudeuten versuchen und daraus ein Ausnahmefest der Familie, der Liebe und des Friedens machen wollen. Meistens führt so etwas zur Enttäuschung, weil eine gute Familienatmosphäre nicht dadurch entsteht, dass man sich einmal zusammenreißt und nicht miteinander streitet. Eine gute Familie ist dort, wo Menschen trotz Schwierigkeiten zu einander stehen und für einander Verantwortung übernehmen. Und sie kann nur auf der echten Liebe aufgebaut sein, die meint, in der Beziehung nicht vor allem den eigenen Vorteil zu suchen, sondern sich zu verschenken und auf dem echten Frieden, der ohne Vergebung und ohne Versöhnung nicht möglich ist.
Am meisten würde aber der Weihnachtsbaum beklagen, dass vielen Menschen zwar der Schnee und ein wenig Frost abgehen, aber nicht Jesus in ihren Häusern. Ja gut, seine Abwesenheit wird hier und dort durch die Geschenke kompensiert aber gerade zu Weihnachten sollte gefeiert werden, dass Jesus ein Geschenk für uns ist. Natürlich nicht für alle ein zufriedenstellendes Geschenk, weil er nicht den Moden entsprechen und sich nicht solidarisch mit den Meinungsmachern dieser Welt erklären will. Für die aber, die den wahren Frieden und das Leben in Fülle suchen, ist er ein Geschenk, das Kraft gibt und den Zugang zum besseren Leben schafft. Er ist ein Geschenk der Liebe Gottes an uns, die für uns da sein will, um unsere Wunden zu heilen, wenn wir von anderen verletzt werden, wenn wir an uns selbst zweifeln, wenn wir uns verlassen und ausgeschlossen fühlen. Er ist ein Geschenk der Hoffnung Gottes, die uns nicht verlässt, wenn wir um eine liebe Person trauern und Angst vor der Zukunft haben, wenn wir vor wichtigen Entscheidungen stehen, wenn wir mit Schicksalsschlägen fertig werden müssen. Er ist ein Geschenk des Friedens Gottes, der das Herz beruhigen will, wenn es durch die Sorgen der Welt aufgescheucht wird und es sich in den Unruhen des Lebens nicht getraut, vorwärts zu blicken.
Ja, der Weihnachtsbaum würde sich wundern, warum nur so wenig Menschen dieses Geschenk in ihrem Leben auspacken und es ins Leben integrieren, um am Heil Gottes schon jetzt teilnehmen zu können.
Liebe Schwestern, liebe Brüder,
ich weiß es nicht, ob die Kuh und das Pferd in der Heiligen Nacht mit uns Menschen reden würden. Ich weiß es aber, dass wir beschenkte Menschen sind; z.B. durch Rituale, die unsern Alltag unterbrechen und ihn zum Fest machen, z.B. durch andere Menschen, die uns mit Freundschaft und Liebe begleiten, und endlich mit Gott, der uns durch Jesus so nahe ist. Ich wünsche uns allen, dass wir dieses Geschenk – die Nähe Gotte zu uns – spüren und daraus unser Leben gestalten. Ich wünsche uns, dass wir uns als Beschenkte verstehen, die nicht alles haben, denen es aber an nichts fehlt, weil wir mit Gott, mit seiner Liebe und mit seinem Frieden erfüllt sind.
Slawomir Dadas, Pfarrer