Eine Immobilie für Jesus

„Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag. Denn mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben. Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Mit ihm ist es nicht wie mit dem Brot, das die Väter gegessen haben; sie sind gestorben. Wer aber dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.“ (Joh 6, 53-58)

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

die Wohnqualität gehört zu den Werten, auf die viele Menschen sehr genau schauen. Grün, ruhig und dennoch nicht ganz abgelegen sollte die Lage sein, für die man sich am liebsten entscheidet. Viele Einfamilienhäuser werden automatisch mit Pool ausgestattet, damit der einmal angelegte Garten nicht nach ein paar Jahren wieder umgegraben wird. Wer noch die Verantwortung für die Kinder trägt, schaut, ob der Kindergarten und die Schule im Sprengel den Anforderungen entspricht. Auch die Nachbarschaft spielt eine wichtige Rolle bei den meisten Entscheidungen. Jeder möchte so wohnen, dass das Zuhause nach einem arbeitsreichen Tag oder nach einer arbeitsreichen Woche eine kleine Oase der Ruhe, des Auftankens und der Freude ist.

Da wir heuet am Fronleichnamstag über Gott in der Öffentlichkeit nachdenken, und es immer wieder Versuche gibt, zu formulieren, was Gott uns heute – den Menschen des XXI Jahrhunderts – zu sagen hat. Und so frage ich mich, was wäre, wenn Jesus auf dem Wohnungsmarkt eine Immobilie suchen würde. Worauf würde er schauen? Für welche Infrastruktur würde er sich entscheiden,  um sich wohl zu fühlen und eine der wichtigsten Fragen: würde er mich als seinen Nachbar aussuchen? Was sind die Kriterien einer guten Wohngegend aus der Sicht Gottes?

Ich glaube, dass wir uns einig sind, dass Jesus nicht unbedingt ein Haus mit Pool auf der Prioritätenliste hätte. Eine noble, ja vielleicht sogar spießige Gegend wäre es ebenfalls nicht unbedingt seine erste Wahl, weil er sich gerne bei den einfachen, durchschnittlichen Menschen aufgehalten hat. So kann ich mir vorstellen, dass Jesus sich eine Wohnung in der Vogelweide aussuchen würde. Wäre das für Sie aufregend? Sie könnten bei den nächsten Familientreffen von ihm und möglichen Wundern berichten, weil, so können wir es annehmen, er welche in unserer Umgebung machen würde. Vielleicht die eine oder die andere Heilung oder vieleicht die Austreibung eines bösen Geistes, wer weiß? Oder wirkt ein solcher Gedanke auf Sie eher hemmend? Da müsste man brav sein und öfters in die Kirche gehen, dem Partner immer wieder verzeihen und sich mit der Nachbarin versöhnen. Wenn Jesus in unserer Mitte wohnen würde, müsste man schon ein wenig frommer sein, und nicht so durchschnittlich, oder? Was wäre wenn?

Im letzten Buch der Heiligen Schrift gibt es eine Vision und zugleich eine Zusage einer neuen Erde, der heiligen Stadt, in der Gott mitten unter den Menschen wohnt. Die Bilder, die dort vorkommen, beziehen sich auf die Vollendung des Lebens, also auf das endgültige Heil, in dem es weder Trauer noch Tränen noch Mühsal gibt. So weit sind wir noch nicht, aber wir glauben trotzdem, dass Gott unter uns wohnt. Ja er wohnt unter uns, aber noch nicht um seine Herrlichkeit zu offenbaren, sondern um uns im mühseligen Alltag des Lebens zu stützen. Er wohnt unter uns, um uns hier und dort zu trösten, dann und wann zu stärken und Mut zu machen zu neuen Aufbrüchen.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Jesus wohnt mitten unter uns, er ist für uns greifbar und ansprechbar. Er braucht keine Wohnqualität, um es bequem zu haben, er braucht kein gekünsteltes Leben von uns. Er braucht uns als Nachbarn, die sich auf ihn einlassen, die ihn immer wieder zu einem Plauscherl einladen, mit ihm die eigenen Sorgen und Freuden, einfach das eigene Leben teilen. Er braucht uns als Nachbarn, die auch die Nöte und Sorgen der anderen sehen, damit wir mit ihm ein Stück des Reiches Gottes schon hier und jetzt unter uns sichtbar machen.
Ich wünsche uns allen, dass es uns gelingt, sich bewusst zu machen, dass Gott mitten unter uns wohnt. Ich wünsche uns, dass wir ihn als einen guten Nachbarn akzeptieren, der uns zu Seite steht und unser Heil will.

Slawomir Dadas, Pfarrer