Für die Art, wie wir unser Leben leben, wie wir es anlegen, wie wir es ausrichten, gibt es im Grund zwei Entwürfe.
Der eine ist, dass wir uns von Motiven wie Hoffnung und Liebe leiten lassen. Das bedingt Vertrauen, bedingt Glaube daran, dass das gelingen kann. Das ist das Prinzip der Gutmenschen, das manchmal belächelt, manchmal verhöhnt und oft beschimpft wird.
Der andere Entwurf ist, sich von der Angst leiten zu lassen. Angst vor der Zukunft, Angst vor dem Fremden, Angst vor dem Unbekannten. Das führt dazu, dass wir rund um uns Zäune, Mauern und Gräben errichten um uns zu schützen. Das ist das Prinzip der Politik heute. Diese Angst zu schüren und Mauer-Lösungen anzubieten.
Dabei weiß die Menschheit seit Jahrtausenden, dass kein Zaun, keine Mauer und kein Graben je standgehalten hat, wenn dahinter etwas Wichtiges, etwas Wertvolles vermutet wurde. Alle Mauern und Gräben, die wir rund um uns errichten sind nur eine traurige Vortäuschung von Sicherheit. Dahinter leben die Menschen weiter in Angst.
Als Kind haben mir Stellen wie diese im Evangelium auch immer Angst gemacht. Und auch heute noch überkommt mich dabei ein unangenehmes Gefühl. Ständig auf der Hut sein, ständig wachsam sein und immer wach sein. Immer nur ans Ende denken, das immer unerwartet kommt. Und wenn es kommt und einen sozusagen auf dem falschen Fuß erwischt, in einem Moment der Achtlosigkeit, dann ist alles aus. Alles sonstige Bemühen des ganzen Lebens ist wertlos und in diesem einen Augenblick verspielt.
Gut, wenn man das so durchdenkt, kommt man unweigerlich zum Schluss, dass das nicht stimmen kann. Die Lehre Jesu ist eine ganz andere. Er weiß, dass der Mensch immer wieder irrt, abweicht und gerade darum spricht er so oft von Umkehr, von Reue, von Vergebung. Der Fehler, den wir beim Bedenken dieser noch dazu so langen Perikope fast unweigerlich machen ist, dass wir über den ganzen Aufforderungen zur Wachsamkeit den wichtigsten Satz ganz am Anfang völlig vergessen: Fürchte dich nicht, du kleine Herde. Fürchtet euch nicht, Gott, euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.
Fürchtet euch nicht! Das ist die Botschaft.
Klar, wir sollen wachsam sein, aufmerksam. Wir sollen Gefahren und Risiken abschätzen, ernst nehmen, nicht wegschieben. Problemen und Schwierigkeiten müssen wir uns stellen. Aber dabei müssen wir, wie das Sprichwort sagt, die Kirche im Dorf lassen.
Die Politik scheint in den letzten Jahren zu einer gegenteiligen Ansicht gekommen sein. Nicht nur in Österreich, sondern praktisch überall. Es ist ganz offensichtlich Erfolg versprechend, wenn man mit Angstparolen spazieren geht. Dabei geht es meist um Angst vor Problemen, die tatsächlich gar nicht bestehen und nur herbeigeredet werden. Die Angst vor dem Unbekannten, die Angst vor der EU, die Angst vor Migranten, die Angst vor der Zukunft, ja eigentlich die Angst vor dem Leben.
Jesus hält dagegen. Er sagt: habt keine Angst. Das Reich Gottes ist euch versprochen. Als Christen müssen wir bedenken, dass in einem demokratischen Staat die Politik und die Politiker nichts machen, was nicht von einer Mehrheit des Volkes gewünscht wird. Es liegt an uns, vorzugeben, worum es uns wirklich geht. Der Geist des Christentums ist nicht Angst, sondern Vertrauen, ist Mut, Hoffnung und Zuversicht. Papst Franziskus hat es in einem Satz zusammengefasst: „Habt keine Angst, fasst Mut, lasst euch auf das Risiko der Liebe ein. Christus kommt nicht nur am Ende der Zeit, er kommt immer wieder. Und darum gibt es für uns immer wieder Möglichkeiten, ihm zu begegnen. In einem Menschen, der uns braucht. In einem Wort, das uns treffen will. In einer Situation, die uns fordert, vielleicht auch überfordert.
Wenn wir uns auf das Risiko der Liebe einlassen, dann wird Christus nicht an uns vorbei gehen, auch wenn wir gerade etwas müde, unaufmerksam oder eingeschlafen sind.
Rudolf Bittmann Diakon