Mit dem Bild eines Hofnarren – Faschingspredigt 2022

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

wir werden uns in der Fastenzeit mit dem Bild einer mittelalterlichen Burg, einer Ruine auseinandersetzen und verschiedene Inhalte, die damit verbunden sind, als Zeichen und Symbole verwenden. Als Vorbereitung darauf starten wir schon heute, mit dem Bild eines Hofnarren, der vom Mittelalter an ein fester Bestandteil des Hofstaates war. Auch wenn einige meinen, dass seine Aufgabe die Belustigung des Hofes war, ist das nicht korrekt. Seine Rolle war eine andere, und zwar zu provozieren und zu irritieren, wodurch Nachdenkprozesse und Veränderungen angestoßen werden konnten. Genau in diesem Geist möchte ich die heutige Faschingspredigt verstanden wissen. Ich hoffe dabei auf den Sinn für Humor bei allen, die es wagen, diese Predigt anzuhören oder später nachzulesen. Sollte jemand nicht sicher sein, ob er es aushält, darf er jetzt ein paar Minuten mit dem Handy spielen, die Kirchenzeitung lesen  oder einfach abschalten und an etwas Schönes denken z.B. an den ersten Kuss oder an die Süßigkeiten, die er als Kind gerne gegessen hat, ohne dabei ein schlechtes Gewissen wegen Blutzuckers und Übergewichts zu haben. Allen, die sich trauen, wünsche ich viel Vergnügen und betone, dass nichts, was darin vorkommt, ganz der Realität entspricht, dass aber das, was vorkommt, etwas mit der Realität zu tun hat.

Stellen Sie sich vor, dass in diesem Arbeitsjahr die Pfarre Vogelweide kurz vor der Auflösung stand. Die Personalstelle der Diözese Linz wollte auf Bitten des Dekanates unsere Erfolgsgeschichte beenden. Wir sind einigen Personen scheinbar zu mächtig und unbequem geworden. So wollte man von uns einiges an Personal abziehen und Aktivitäten einschränken, also aus der Pfarre eine Ruine machen, um selber besser dazustehen.

Dass wir noch weiterhin miteinander das Glaubensleben gestalten dürfen, verdanken wir dem Einsatz unserer Mesnerin Zofia, die direkt das Büro des Papstes eingeschaltet hat. Die päpstliche Intervention trug dazu bei, dass nicht alles, was an Zerstörung geplant war, umgesetzt werden konnte. Aber der Reihe nach.

In ein paar Köpfen ist die Idee entstanden, dass der Pfarrer nach Gallneukirchen übersiedeln sollte, um sich nicht um die Rolle des Chefs in den neuen Strukturen in Wels zu bewerben. Einigen arbeitet er zu schnell und zu viel; denn was er früher als Dechant mit einer DekanatsassistentIn geschafft hat, müssen jetzt vier bis fünf Personen machen. Er hatte auch aufgedeckt, dass eine Abstimmung im Dekanat an nordkoreanische Verhältnisse erinnert, wo die Zahl der abgegebenen Stimmen die Zahl der Anwesenden übersteigt. Dadurch sind einige Personen der Dekanatsleitung ein wenig verunsichert und weil der Pfarrer als unbequem gilt, wollte man ihn ins Mühlviertel befördern. Aber derzeit hat er sich erfolgreich dagegen gewehrt und er darf weiterhin sein Unwesen in der Vogelweide treiben.

Da die Pastoralassistentin manchmal durch ihre Predigten Menschen aus der Kirche vertreibt, war es geplant, sie in Pension zu schicken, damit sie mehr Zeit zum Nachdenken und zum Bekehren hat. Es gelang aber, sie zu 50% zu behalten. In der restlichen Zeit muss sie als Strafe Zuhause auf den Hund aufpassen. Für die anderen 50% Prozent in der Pfarre haben wir einen neuen und noch dazu einen Mann – den Christoph – gewinnen können, damit der Männeranteil in der Kirche ein wenig gehoben wird. Er sollte auch die Jugend der Pfarre aus dem Coronaschlaf wachküssen und dem Jugendprojekt – KernZone – helfen, Veranstaltungen für U18 statt für die Junggebliebenen Ü50 zu machen. Er ist sehr gewissenhaft und wenn Sie jemand sehen, der alles genau notiert – sogar in der Kirche – ist das kein Spion von der Diözese oder vom Dekanat, sondern unser neuer Pastoralassistent.

Den Kaplan Johannes haben wir leider nicht halten können, weil er die Aufgabe bekam, mit seiner Art die wilden Innviertler zur Ruhe zu bringen. Als Ersatz hat man uns den Jaroslaw geschickt, mit der Hoffnung, dass die meisten nicht merken, dass eine Veränderung stattgefunden hat. Aber doch, der Unterschied lässt sich nicht verstecken: der Neue ist ein Brillenträger. Die größten Anhänger von unserem bisherigen Kaplan meiden jetzt die Gottesdienste seines Nachfolgers, weil er nicht so schön singen kann und hier und da vergisst, in den Ellbogen zu husten.

Unsere Diakone blieben unangetastet, weil man sich dachte, dass die älteren Herren eh nicht mehr viel anstellen können. Man übersah dabei, dass sie zu den aktivsten in den sozialen und theologischen Bereichen der Pfarre gehören und dass sie die Latte des kirchlichen Dienstes so hochgeschraubt haben, dass es niemand mehr wagt, in ihre Fußstapfen zu treten.

Auch unser bewährtes Mesnerteam ist nicht gefährdet. Denn wer ist schon bereit, mindestens eine halbe Stunde vor dem Gottesdienst in die Kirche zu kommen; einige schaffen es gerade noch zum Evangelium.

Aber ich glaube, dass wir eine Sabotage bei der Rekrutierung der Ministranten erleben. Wenn es so weiter geht, werden wir einige Kinder anmieten müssen.

Weil sich der alte Pfarrgemeinderat immer wieder gegen den Pfarrer stellte, mit der Absicht, den ehemaligen Kaplan Niko als neuen Pfarrer zu gewinnen, wird er ausgetauscht werden. Es wird also empfohlen, bei der PGR-Wahl nur Personen zu wählen, die in Demut und Gehorsam hinter dem Pfarrer stehen.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Sie sehen, unsere Pfarre wurde fast zur Ruine. Mit einiger Anstrengung sind wir aber noch immer handlungsfähig. Wir wollen weiterhin aktiv bleiben, wir werden versuchen, den Kindern und Jugendlichen, Erwachsenen und Senioren gute Räume zu bieten, damit sie bei uns nicht nur eine Gemeinschaft finden, sondern auch Wege zu Gott und zu den Mitmenschen. Wir werden versuchen, neue Aktivitäten zu setzen, damit Personen, die in den letzten zwei Jahren den Kontakt zur Pfarre ein wenig  verloren haben, wieder erleben, wie wichtig das Miteinander ist, gerade in schwierigen Zeiten. Wir werden uns engagieren, auch als Teil der neuen Pfarre, damit die Botschaft Jesu in unserer Gegend weiterhin gelebt, gefeiert und verkündet wird.

Als Ihr Hofnarr kann ich Ihnen versichern, ich werde weiterhin provozieren und irritieren, damit wir nicht in der Selbstzufriedenheit erstarren und damit wir Gott und die Menschen nicht aus dem Blick verlieren.

Slawomir Dadas
Pfarrer

2 Gedanken zu „Mit dem Bild eines Hofnarren – Faschingspredigt 2022

  1. ich unterschreibe den Kommentar vor mir voll und ganz!!! habe selten so einen weltoffenen, engagierten Pfarrer wie Herrn Dadas kennengelernt – wir leben im 21. Jahrhundert und wenn die Kirche nicht mit der Zeit geht, wird sie…… (jeder weiß, wies weitergeht)
    danke für diese „Faschingspredigt“ und für die vielen guten Ideen, die in dieser Pfarre immer wieder umgesetzt werden

  2. Nach anfänglichem zweifel, ob ein priester, als stellvertreter christi, derartiges „predigen“ kann, fiel mir dann plötzlich die stelle ein, als jesus im tempel „aufräumte“ – und stellte mit schmunzeln fest, dass jeder eine andere, auf ihn zugeschnittene aufgabe in unserer kirche hat……….

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