Ist heute tatsächlich Ostern? Historisch gesehen war Ostern ein Ereignis vor fast 2000 Jahren. Ist heute also nur ein alljährliches Erinnerungsfest, wie der Muttertag, der Tag der Arbeit oder der Tag des Apfels? Dazu ist Ostern viel zu wichtig, viel zu bedeutsam, viel zu groß.
Die Konsequenz aus der Auferstehung Jesu ist nicht nur ein Versprechen für das Jenseits, für unser Leben nach dem Tod. Im Paulusbrief haben wir gehört „Ihr seid mit Christus auferweckt“. Ihr seid auferweckt, nicht ihr werdet auferweckt irgendwann nach dem Ende eures irdischen Lebens.
Ostern ist also weder ein einmaliges noch ein einmal jährlich wiederkehrendes Ereignis. Ostern ereignet sich immer wieder.
Sonst wäre es nicht auszuhalten.
Ostern ist nämlich untrennbar verbunden mit dem Karfreitag. Und der findet jedenfalls immer wieder und manchmal jeden Tag statt. Das ist die leidvolle Erfahrung eines jeden von uns.
Jeden Tag werden Menschen konfrontiert mit Schmerz und Leid. Die Pandemie scheint fast vorbei zu sein und dennoch sterben jeden Tag Menschen daran. In vielen Ländern wüten Kriege, unmenschlich, grausam und barbarisch. Die globale Wirtschaft nimmt nur Rücksicht auf materiellen Zugewinn, die Bedürfnisse der Menschen werden dabei weitgehend ignoriert.
Und wir selber finden uns immer wieder wie ans Kreuz gebunden durch Angst, Depression, materielle Sorge, Krankheit, Schmerzen, Trauer um liebe Menschen.
Ausgeliefert, unbeweglich gemacht.
Im Evangelium begegnen wir den Jüngern in genau so einer Lage. Ihr Meister ist tot, ihre Träume und Hoffnungen sind mit ihm gestorben. Das Leben ist mit einem Mal sinnlos, unerträglich. Sie sitzen da, erstarrt, wie gelähmt. Die Nachricht vom leeren Grab, die die Frauen bringen, hilft da auch nicht, ist eigentlich auch egal, ja bedeutungslos. Tot ist tot, mit oder ohne Leichnam.
Und doch, zwei raffen sich auf und machen sich auf den Weg. Sie gehen einfach und haben wahrscheinlich selber keine Erklärung, weshalb.
Sie überwinden ihre Erstarrung, ihre Lähmung und beginnen zu gehen. Ohne konkrete Erwartung und ohne festes Ziel, aber offen für das, was ihnen vielleicht begegnen wird.
Ostern beginnt dort, wo Menschen sich wieder aufrappeln, aufbrechen, zu gehen beginnen auf ein Ziel zu, das sie nicht kennen, aber getrieben von einer Ahnung, die sich anstecken lässt von einer unzerstörbaren Hoffnung. Da beginnt Ostern, immer wieder von neuem.
Es wird nicht immer ein großes Fest sein. Es kann etwas ganz kleines, Unscheinbares sein. Etwas, das mich plötzlich wieder freier atmen lässt, wo die Farben wieder zu leuchten beginnen, wo aus der Menschlichkeit Wärme auf mich über geht, wo in der Dunkelheit ein Licht zu leuchten beginnt.
Ostern war nicht irgendwann einmal – Ostern ist.
Rudi Bittmann Diakon